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Musiker Magazin 4/2019 – 1/2020

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FESTIVAL: Deutscher Rock & Pop Preis 2019 – Rückblick; Deutscher Rock & Pop Preis 2020 – Anmeldung / STORIES: Singer-Songwriterin Kiara Huber; Ann Doka – Aus »Neu« mach »Neu«. Wandel schreibt Musik; Die Historie der Rock- & Popmusik: Teil 15: THE ROLLING STONES – The greatest Rock & Roll band in the world (Teil 2); Burn Out Laut – Therapeutischer Soulrock; Sven Garrecht – Mit der Kleinkunst im Herzen schafft er eine Symbiose aus grooviger Popmusik und sinnigem Chanson; VOICE OVER PIANO – Entertainment auf höchstem Niveau; COPPER SMOKE – Americana Rock; KÖNIG & MEYER – Stands For your Music – seit 1949; CORAZÓN DEL CARIBE – Pures Karibik- & Kuba-Feeling / MUSIKBUSINESS: Leeza Nail – Wie kann ich Singen zum Beruf machen? / RUBRIKEN: Musiker-News; Produkt-News; CD-Rezensionen; Titelschutzanzeigen; Kleinanzeigen; Impressum

24 STORIES

24 STORIES Verkaufserfolg und der Titelsong ein beliebter Klassiker. Für Taylor musste nach der Fertig - stellung der neuen LP Ersatz gefunden werden. Im Januar 1975 jammten die Rolling Stones mit Rory Gallagher und Jeff Beck, danach wurden im Februar Aufnahmen mit dem Studio- Gitarristen Wayne Perkins, mit Ron Wood und Harvey Mandel (Ex-Canned-Heat) hergestellt. Im Gespräch waren aber außerdem auch Wilco Johnson von Dr. Feelgood, Shadow-Gitarrist Hank Marvin, Mott-the-Hoople-Gitarrist Mick Ronson und Bobby Tench. Das Rennen machte Wood, der sich bereits an dem Song „It’s Only Rock ‘N’ Roll“ beteiligt hatte. Richards und Wood harmonierten musikalisch bestens, allerdings auch in puncto Sucht, denn Wood war Alkoholiker. Beide wechselten sich einander künftig bei Soli und an der Rhyth musgitarre ab. Spätere Konzertmit schnitte auf DVD und Blu- Ray präsentieren auch Richards mit vielen herrlichen Gitarrensoli. 1976 erschien die musi kalisch und stilistisch abwechslungsreiche LP „Black and Blue“ mit Wood als Mitglied der Rolling Stones. Zu hören sind auch einige der getesteten Gitarristen. Als Erstveröffentlichung hätte das Innencover-Foto von „Black And Blue“ heute wohl keine Chance gehabt: eine gefesselte, malträtierte junge Frau in Unterwäsche über der Abbildung des Album-Außencovers. Eine Parodie ersetzte die Frau durch einen ge fesselten Mann, der Jagger ähnelt, ein T-Shirt mit der Rolling-Stones-Zunge trägt und von einer jungen Frau ausgelacht wird. Stressfreies Leben blieb für die Haupt akteure Jagger und Richards ein Fremdwort. Während die Presse Jaggers Privatleben, der ab 1977 mit dem Fotomodell Jerry Hall zusammenlebte, mit Argusaugen verfolgte, hatte der Junkie Richards ständig Ärger mit der Strafjustiz. Er behauptete, stets chemisch reine Substanzen zu sich genommen und dadurch auf seine Ge - sundheit geachtet zu haben. Jahre später ersetzte Richards Rauschmittel durch Alkohol, den er nicht als Droge ansah. Doch auf diese Weise hatte er nur den Teufel mit dem Beelzebub aus - getrieben. Richards erlitt im Laufe der Jahre jedenfalls verschiedene Unfälle, die ihn hinderten, Konzerte zu geben. Erst seit 2018 soll er nun auch trocken sein. Jagger reagierte allerdings auf die Drogen-Eskapaden seines anderen Glimmer Twins, sagte sich in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre von den berauschenden Sub - stanzen los und ernährte sich fortan be wusster. Musikalisch erreichte die Band mit herausragenden Songs aus der Feder von Jagger und Richards 1978 und dem Spitzenalbum „Some Girls“ einen neuen Höhepunkt, das der treibende Song „Miss You“ im Disco-Sound einleitet, der ebenfalls zu einem Konzertklassiker wurde. „Some Girls“ ist das dritte Album aus der Post- Decca-Zeit, das später in einer erweiterten Fas sung wiederveröffentlicht wurde. Was Femi - nis tinnen damals und bei der Wiederveröffent - lichung wohl zu dem Albumcover mit Frauen- Perücken auf den Köpfen der Bandmitglieder und Werbung aus den 1950er-Jahren für Büsten - halter, die aus dem Metallwaren-Handel zu stammen scheinen, gesagt haben mögen? Auch die beiden nachfolgenden Alben „Emotional Rescue“ (1980), das gemeinhin als schwächer eingeschätzt wird, und „Tattoo You“ von 1981 wurden zu Kassenschlagern. „Start Me Up“ aus „Tattoo You“ ist einer der beliebtes - ten Songs der Band mit einem energischen Gitarrenriff von Richards. „Emotional Rescue“ offenbarte freilich Erosionserscheinungen, denn dieses Album wurde nur noch mit einem Rumpf der Band eingespielt, wohl ohne Wyman und ganz sicher ohne Richards, dem es egal war, ob die Rolling Stones einen weiteren Hit haben würden. Charlie Watts begann nun auch, Solo - projekte zu verfolgen. Dennoch ließ sich die Band-Maschine wieder auf Hochtouren bringen, und das nach fast 20 Jahren Rolling Stones eine für das Rock - geschäft fast schon unglaubliche Zeitspanne. Jagger orakelte zwar mittlerweile, dass er wohl nicht mehr lange so tun könne, als sei er noch 18. Aber Live-LPs und Konzertmitschnitte auf Bildträgern kamen heraus, dabei Hal Ashbys Film „Let’s Spend The Night Together“. Die Band trat mit der Blues-Ikone Muddy Waters auf und schloss im Herbst 1983 mit CBS einen Vertrag über vier Alben, für den sie 28 Millionen Pfund kassierte. Und wieder stand Steuersparen im Fokus, weshalb der Vertrag nicht in Groß bri - tannien, sondern in Paris unterzeichnet wurde. 1983 und 1985 erschienen die Alben „Under- cover“ und „Dirty Work“, die sich ebenfalls ausgezeichnet verkauften. Eigeninteressen befeuerten Jaggers und Richards’ Hassliebe aufs Neue. Jagger lehnte es ab, zur Verkaufs för de - rung beider Alben mit den Rolling Stones auf Tournee zu gehen. Das eher mittelmäßige Werk „Dirty Work“ mit dem Erfolgssong „Harlem Shuffle“ schien der Schwanengesang der Band zu sein. Ein Songtitel wie „Had It With You“ klingt geradezu symptomatisch und durch Ian Stewarts Herzinfarkt-Tod im Dezember 1985 der unwiderrufliche Schlussstrich zu sein. Als Roadmanager, Keyboarder der Band und quasi sechster Rolling Stone war er seit Band-Grün - dung dabei gewesen und nach der Ein - schätzung von Bandmitgliedern „der Kitt, der alles zusammenhielt“. Richards’ Äußerung, er werde Jagger den Hals aufschlitzen, wenn dieser ohne die Rolling Stones auf Tour ginge, hielt Jagger genau davon nicht ab. Er legte 1985 und 1987 seine Solo - alben „She’s The Boss“ und „Primitive Cool“ vor und zog damit um die Welt, um zu allem Überfluss bei seinen Auftritten reichlich Songs der Rolling Stones zu spielen. Auch auf dem Live-Aid-Konzert trat er am 13. Juli 1985 nur solo und gemeinsam mit Tina Turner auf, während Richards Bob Dylan bei dessen Auftritt auf der Gitarre begleitete. Mit David Bowie hatte Jagger außerdem die Single „Dancing In The Street“ aufgenommen, die ebenfalls auf die- musiker Magazin 4/19 1/20

STORIES 25 »Die Vitalität der Rolling Stones ist seither ungebrochen, und man darf sicher sein, dass die geschäftstüchtige Band ihre Fans auch künftig mit zahlreichen Veröffentlichungen aus dem Fundus von Konzert-Aufzeichnungen be denken wird, die die Portemonnaies öffnen. Für 2020 sind schon wieder Live-Auftritte angekündigt, und man darf gespannt sein, wie das 60-jährige Bestehen der Ur ge steine der Rockmusik gefeiert werden wird.« sem denkwürdigen Konzert zu hören war. Womöglich als Retourkutsche auf diese Ak ti vi - täten und das drohende Ende der Rolling Stones spielte Richards 1988 sein Soloalbum „Talk Is Cheap“ ein und ging mit seiner Band X-Pensive Winos auf Tournee. Jaggers Pläne, auch solo zum Superstar zu werden, gingen jedoch nicht auf. Richards und er rauften sich danach im Januar 1989 bei einem Treffen auf Barbados wieder zusammen, schrieben Stücke für ein neues Album und unterbrachen im selben Monat ihre Arbeiten, um an den Feierlichkeiten zur Aufnahme der Rolling Stones in die Rock and Roll Hall of Fame teilzunehmen. Vor ihnen lag eine Zukunft finanziellen Erfolges, der alles Bisherige in den Schatten stellen sollte. Die Bühnenshows ihrer Welttourneen wuchsen ins Gigantische und waren vielleicht sogar Vor - bild für Roger Waters’ ebenso gigantische Live- Inszenierungen des Pink-Floyd-Albums „The Wall“ bis in die jüngste Vergangenheit. Mit ihrem im August 1989 veröffentlichten Album „Steel Wheels“ und dem Hit „Mixed Emotions“ knüpften die Rolling Stones musikalisch an ihre besten Zeiten an. Richards bürgte wie bisher für einzigartige Riffs als musikalisches Marken zeichen, die den Songs der Band den unverwechselbaren Gänsehaut-Reiz verliehen. Allein für ihre US- Tournee „Steel Wheels“ wurden der Band Ein - nahmen von 70 Millionen Dollar garantiert. Um die Bühne aus den USA zur Europa-Tour „Urban Jungle“ zu transportieren, waren allein zwei Flug - zeuge des Typs Boeing 747 nötig, und künftig mussten immer mehr Lkw-Züge eingesetzt werden, um den Tross von einem Veran stal tungs ort zum anderen zu bewegen. Riesige Kulissen, ebensolche aufblasbare Puppen, darunter passend zum Song „Honky Tonk Women“, sowie Video wände in größter Dimension und aufwendige Lichteffekte gehörten zur Ausstattung und eine überwältigende Show. Die Shows sind häufig auch durch illustre Gäste wie Eric Clapton, Bo Diddley und Buddy Guy mit elektrisierenden Parts angereichert worden, um nur wenige zu nennen. Zum Glück erstickten die Rolling Stones ihre Musik nicht durch Gigantomanie. Sie ist bis in die heutigen Tage bei den zahlreichen Auf tritten der Band mitreißend geblieben. Mittlerweile gibt es zahlreiche Live-Mitschnitte auf CD, DVD und Blu-Ray aus der Zeit seit dem Neustart 1989, die trotz eines Repertoires mit vielen Wieder - ho lungen so erstaunlich frisch wirken. Die Rolling Stones sind zwar Rock-Krösusse, aber sie geben sich bei ihren Konzerten nicht nur kurz die Ehre, um wie eine durch Festhallen tingelnde Oldie-Band jahrzehntelang immer nur wieder denselben einen Hit herunterzuspielen. Die gigantischen Ausmaße des Rock-Un ter - nehmens bekamen 1991 mit 38,1 Millionen Dollar durch den neuen Plattenvertrag der Band mit Virgin Records einen saftigen Anschub. 1993 stieg dann überraschend Bassist Bill Wyman aus und widmete sich fortan seinen Solo-Akti - vitäten. Er veröffentlichte zahlreiche Alben und mehrere Bücher über die Rolling Stones und die Geschichte des Blues. An Wymans Stelle spielt seit 1994 der Jazzmusiker Darryl Jones den Bass bei den Rolling Stones. Offizielles Mit glied der Band ist er aber auch nach nunmehr bald 26 Jahren nicht geworden. Der Erfolg der nächsten Alben „Voodoo Lounge“ (1994) und „Bridges To Babylon“ (1997) stellte sich wie selbstverständlich ein, und der Titel „Love Is Strong“ geriet zu einem neuen be - sonders einprägsamen Rolling Stones-Song. 8 4/19 1/20 musiker Magazin

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