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Musiker Magazin 3/2017

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• Deutscher Rock & Pop Preis 2017 – Konzept • Die PLANK – Musik mit wildem Herzen • MATIJA – Die Ruhe vor dem Sturm • Jenny Bright – Die 19-jährige Singer-Songwriterin macht leidenschaftlichen Country-Pop • Peer Frenzke – Profigitarrist und Initiator der „1st Class Session“ • Lisa Vuoso – Charmant, authentisch und ein bisschen verrückt … • APRIL ART – Ihre rockende Musik soll ins Ohr gehen und mit einer inhaltlichen Aussage im Kopf bleiben • CousCous – „In einer anderen Welt“ • NOBODY KNOWS – „Nehmt uns nicht für bare Münze“ • Unnachahmlicher Reiz – „Marie-Luises last Show“ entzückte im Theater • Musiker, Moderator und Musicaldarsteller Johnny Silver über das Leben im Musikbusiness • SUPERUSE – „Wenn wir Musik mit Fußball verbinden könnten, wäre das kaum zu toppen …“ • Die Historie der Rock- & Popmusik: Teil 8: Peter Green und Fleetwood Mac – Griff nach musikalischen Sternen • Eva Kyselka – Live berührt sie mit ihrem wandlungsfähigen Gesang und ihrer magisch-sinnlichen Bühnenpräsenz • Haifische in der Musikbranche • Erst Tageshonorare ab 420 Euro (Beispiel: Editoren) sind Argument gegen Scheinselbstständigkeit

14 STORIES »Entstanden

14 STORIES »Entstanden ist eine wunderschöne Nischen-Produktion und eine Interpretation meiner Songs, die sich an nichts misst, als an der Atmosphäre, die uns bei den Aufnahmen be gleitet hat.« Unterstützer in die Tausende gehen. Wer hier keine Erfahrung hat, dem würde ich raten, sich bewusst zu machen: Das Internet ist kein Selbst - läufer! Man braucht eine Menge finanziellen Schub, Handwerkszeug und Erfahrung, um Menschen nicht nur zu erreichen, sondern sie auch noch zu bewegen, Geld zu geben, für etwas, das sie noch nicht sehen, hören oder anfassen können. Unterschätzt habe ich selbst aber den ganzen Bereich der Finanzierungsthematik. Da hatte ich nämlich damals wenig Ahnung. Und da liegt meines Erachtens auch die Krux: Crowdfunding setzt da an, wo die Ahnung der meisten aufhört, und verknüpft mit Öffentlichkeitsarbeit und Finan zie - rung zwei komplexe Disziplinen miteinander, die über das Online-Portal scheinbar zum Kinder spiel für jedermann werden. Dass daraus in Wahrheit für den Nutzer eine superteure Finanzierungs form entsteht, im Vergleich zu möglichen anderen, wird natürlich nicht gesagt. Denn auch wenn die Crowdfunding-Portale eine tolle und auf ihrer Seite kostengünstige Sache sind, sie sind allenfalls Vermittler auf dem Markt der Ideen und bringen Akteure und Unterstützer zusammen. Das ist hipper, als jemanden einfach zur Bank zu schikken, wo diese ja ohnehin um ihr Image ringen. Als Finan zierungsform betrachtet, rechnet Crowd - fun ding sich unterm Strich allerdings nicht. Jedenfalls nicht für Künstler, die ihre eigenen kleinen Projekte wie Alben und Videos damit realisieren möchten. Denn da die Unterstützer im Vorfeld v. a. definierte Produkte oder Dienst leis - tun gen von den Künstlern kaufen, und nicht nur frei gewählte Beträge geben, fallen auf die verkauften Dinge regulär Steuern an. Unser erzieltes Crowd funding-Budget wurde auf diese Weise um rund ein Drittel gekürzt. Diese Reduzierung muss man von Anfang an in seine Kalkulation einplanen, sonst erlebt man eine böse Überraschung. Das wiederum kann man aber nicht wirklich, weil nicht vorhersehbar ist, welche Unter stüt zungsform ge wählt wird. Ich habe also gelernt: Planbarer, sicherer und deutlich günstiger bei der aktuellen Niedrig zins - lage ist einfach ein klassischer Ratenkredit mit festem Zinssatz. Mein Fazit: Erstens: Ich würde in jedem Fall beim nächsten Mal direkt zur Bank gehen. Zweitens: PR und Fanarbeit sind wichtig, muss man aber auch unabhängig von Crowd - funding machen. Drittens: Crowdfunding ist nicht gleich Crowdfunding. Es wird auch von Platten - firmen produkt-strategisch eingesetzt als Investi - tion im Sinne einer PR-Kampagne, die sich gleich noch zum Teil selbst gegenfinanziert. Die leuchtenden Beispiele, an denen man sich aber als Künstler in Eigenregie nicht zu orientieren braucht. MM: Beim Crowdfunding bietet man den Unterstützern sogenannte Dankeschöns an. Dadurch duften deine Fans bei einem Musik - video mitspielen und du hast Wohn zimmer - konzerte gegeben. Wie war es, deine Fans so nah und persönlich kennenzulernen? JULIA: Bei den Leuten zu Hause in ihren eigenen vier Wänden zu spielen ist immer ein Erlebnis, weil es so direkt und unmittelbar ist und du viel besser verstehst, wer deine Musik eigentlich hört. Ich mag das sehr! Und außerdem gibt’s an den selbst gemachten Buffets immer die leckersten Dinge! Der Videodreh zum Song „Wo kommst du denn jetzt her“ mit unseren Unterstützern war schon etwas ganz Besonders. Wir hatten ältere Herrschaften ebenso dabei wie Kinder und wir haben mit ihnen, passend zum Song, Begeg - nungs szenen gespielt. Da sind so schöne, goldige Sequenzen entstanden, dass ich vor lauter Freude zum Schluss noch in den unbeheizten Außen pool unserer Location gesprungen bin. Im No vem ber. MM: Erklärtes Ziel des Albums war auch die Ansprache von Labels, Agenturen und Radios. Wie hat das bisher geklappt? JULIA: Stimmt, das hatten wir in unseren Kam - pagnen-Teaser des Crowdfundings geschrieben. Aber schon im Studio haben wir festgestellt, dass wir noch nicht bereit sind, uns musikalisch von unseren Wurzeln zu lösen und wirklich kommerziell zu klingen. Entstanden ist eine wunderschöne Nischen-Produktion und eine Interpretation meiner Songs, die sich an nichts misst, als an der Atmosphäre, die uns bei den Aufnahmen be - gleitet hat. Das wird gern von unseren Regional - sendern gespielt, findet natürlich aber keinen Platz auf Playlisten kommerzieller Radiosender. Agen turen und Labels habe ich erst einmal hinten angestellt, da ich gerade noch ein nebenberufliches Studium begonnen habe, für das ich viel Zeit brauche. Dafür darf ich an vielen Stellen, so wie mit euch hier im MUSIKER MAGAZIN, über unser schönes Projekt sprechen. Ich war zudem im Frühjahr u. a. Titelstory des Frauenmagazins „Rosenheimerin“, mit dem Song „Barfuß“ live zu Gast in der Abendschau des Bayerischen Rund - funks und bei „Mensch, Otto!“, der bekannten bayerischen Radio-Talk-Show auf Radio Bayern 3. MM: Du arbeitest im Marketing, mit Pro mo - tion hast du also Erfahrung. Gibt es be stim mte Tricks, auf die man als Musikerin zurück - greifen kann, um Aufmerksamkeit zu ge - winnen? JULIA: Puh! Das ist so eine Alles-oder-nichts- Frage. Bevor ich mich jetzt in einzelnen Maß - nahmen verliere und womöglich was vergesse, versuche ich es mit einem Bild. Kommunikation ist ein Kosmos. Dass Menschen beginnen, deine Musik zu mögen und ihren Freunden von dir zu er - zählen, setzt voraus, dass du einen tollen, großen, weitläufigen Raum um dich erschaffst, in dem Men schen sich wohlfühlen und in dem sie alles finden, was sie über dich wissen sollen. Er be - steht aus Hard Facts, aus Geschichten rund um dein Projekt, aus deiner Musik, aus Bildern, Videos, Social-Media-Profilen und aus deiner Website, in der du alle Informationen schick und modern zusammenführst. Und dann beginnst du, Ein la - dungen auszusprechen, dich in deinem Kosmos zu besuchen. Dazu versendest du speziell ge - schnürte Einladungspäckchen. Du tust genau das rein, was der andere braucht, um gut damit weiterarbeiten zu können. Veranstalter, Journalisten, dein Publikum. Manche sind ganz schön bockig (weil sie so viele Einladungen von allen Seiten erhalten), ignorieren deine freundlichen Einladun - gen und du brauchst eine sehr hohe Frustrations - grenze, um nicht müde zu werden, immer und immer wieder freundlich nachzuhalten und die neuesten Highlights aus dem Ärmel zu zaubern. Ab einem gewissen Umkreis und Anzahl von An - sprechpartnern ist eine Eins-zu-eins-Behandlung dieser Art natürlich nicht mehr möglich. Dann braucht man mehr Wums im Sinne von Infra - struktur, Kontakt-Verteilern und Geld. Und das ist das, was Agenturen oder entsprechende Ab - teilungen von Plattenfirmen leisten. MM: Du hast schon als Jugendliche professionell Musik gemacht, sogar Songs auf Mallorca aufgenommen. Dein Durchbruch als Sängerin scheiterte schließlich an Strei - tereien und Missmanagement. Was hast du daraus gelernt? JULIA: Ja, gestritten haben wir in dieser Mädels- Band mit unseren 18,19 Jahren. Aber das Wort Missmanagement ist nicht ganz richtig. Vielmehr musiker MAGAZIN 3/2017

15 »Als Künstler gibt man sich selbst gern eine unnahbare Aura, die einen von wirtschaftlicher und rechtlicher Verantwortung entbindet – aber eben auch von deren Sicherheiten und Vorteilen, die sie ja bietet.« ist das passiert, was ganz häufig unter Künstlern und Semi-Profis passiert und was die meisten von uns kennen: Missverständnisse und Ent täu - schung. Auch diese Erfahrung von damals hat dazu geführt, dass ich derzeit bei der IHK das Studium zur Betriebswirtin mache. Ich finde es schade, dass speziell Musiker gern die Dis zi - plinen Kunst, Recht und Wirtschaft gegeneinander ausspielen, anstatt sie zu verbinden und für sich nutzbar zu machen. Als Künstler gibt man sich selbst gern eine unnahbare Aura, die einen von wirtschaftlicher und rechtlicher Verant wor - tung entbindet – aber eben auch von deren Sicherheiten und Vorteilen, die sie ja bietet. Es besteht die verbreitete Annahme, das sei alles zu komplex und unverständlich und bürokratisch. Das kenn ich ja selbst und zum Teil stimmt das auch. Und so bleibt man lieber vage in allem was man tut, und laviert sich durch, anstatt sich einmal genauer mit den betreffenden Bereichen aus einanderzusetzen. Wie oft habe ich Sätze gehört wie „Das machen wir schon irgendwie“ oder „Das müssen wir nicht aufschreiben, wir sind ja Freunde“. Und wo ich den Vorstoß ge - macht habe, ein Projekt doch einmal fundiert aufzusetzen, bin ich auf Abwehr und Misstrauen gestoßen, weil so viel Unwissen da ist, dass die 3/2017 musiker MAGAZIN

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