46 STORIES ständig erholt hat. Allerdings hatte er auch schon früher Drogen genommen. Nach seinem Aus - scheiden bei Fleetwood Mac entsagte Green bis auf Weiteres dem Musikgeschäft, spendete einen Großteil seines Vermögens und überließ seinem Protegé Gary Moore seine Gibson Les Paul. Auf Greens Weggang konnte Blue Horizon noch ein letztes Mal mit seinen Resten des Fleet wood-Mac-Fundus reagieren. Outtakes und Titel, denen man andere Stücke für die beiden ersten britischen Blue-Horizon-LPs vor ge - zogen hatte, wurden in einem letzten Kehraus zur LP „The Original Fleetwood Mac“, die ab No vember 1971 in den Plattenläden stand. Solche Veröffentlichungen sind künstlerisch oft zweite Wahl, anders jedoch im Fall von „The Original Fleetwood Mac“, ein durchaus überzeugendes Album. Ohne Green wurde die Band eine andere. Mit dem Album „Kiln House“ von 1972 knüpften die verbliebenen Mitglieder mit den ausgezeichneten, von Kirwan geprägten Tracks „Station Man“, „Jewel Eye Judy“ und „Earl Grey“ etwas an „Then Play On“ an. Als aber die beiden Gitarristen Kirwan und Spencer auch ihren Dienst quittiert hatten, entfernte sich die Band mit neuen Mitgliedern von ihren Ur - sprüngen und wurde eine der erfolgreichsten Bands der Pop-Geschichte. Wie hochkarätig Fleetwood Macs Auftritte mit Green sein konnten, wurde Liebhabern ihrer Musik, die die Band nicht live erlebt haben, erst Jahre später bewusst. Anfang Februar 1970 hatte die Band an drei Abenden im Bostoner Club Boston Tea Party gastiert. Das wurde komplett mitgeschnitten, um noch im selben Jahr Fleetwood Macs erste Live-LP auf den Markt zu bringen. Ein kleiner Ausschnitt er - schien aber erst 1984 als „Live In Boston“, danach 1985 mehr davon auf dem Doppel - album „Cerulean“. Erst 1998 erschien nahezu alles auf drei CDs mit dem Titel „Live At The Boston Tea Party“. Spencers musikalisch wenig bemerkenswerter Rock ‘n’ Roll war dabei zu hören; es sind aber die Stücke unter Greens Ein - fluss, die die Aufnahmen so wertvoll machen. Greens musikalische Bedeutung wird dabei selbst bei dem Rock ‘n’ Roll-Stück „Jenny Jenny“ deutlich. Denn diese erfrischende Auf - nahme ist ein besonderes Erlebnis wegen Greens Gesang und seines spannenden Gitarren-Solos. Mit etwas Vergleichbarem konnte der Rock ‘n’ Roller Spencer nicht punkten. Atemberaubend sind vor allem die Tracks „Jumping At Shadows“ (überhaupt eine Erst - »Welche Spuren Green im Bluesrock hinterlassen hat, zeigen Tributes anderer Rock-Musiker. 1995 kam das „Peter Green Song book (A Tribute to His Works In Two Volumes)“ in den Handel, auf dem zahlreiche Künstler ihm ein Denkmal setzten.« veröffentlichung), „World In Harmony“, „Black Magic Woman“ und die Kurzfassung von „Oh Well“. Die größte Überraschung ist jedoch die 25-minütige Version von „Rattlesnake Shake“, die an zwei Abenden gespielt wurde. Ohne es zu wissen, erhielten die Zuschauer damit einen tiefen Einblick in die Sessions zu „Then Play On“. Diese Version eröffnet die Tour de force mit „Rattlesnake Shake“ und geht über in die „Madge-Jams“. Die drei Gitarristen treiben sie zu einem ersten fulminanten und nach der Ent - spannungsphase mit „Underway“ in der „Magde“-Fortsetzung zu einem zweiten fabelhaften Höhepunkt, ehe die Band das Stück ausklingen lässt. Die Spannung, die die Musiker über das gesamte Stück aufrechterhalten, lässt sich wohl nur mit Creams 16-minütiger Live-Version von „Spoonful“ auf dem Doppel- Album „Wheels Of Fire“ vergleichen. Die erste Boston-CD enthält außerdem eine fast 13- minütige Version von Greens da noch nicht veröffentlichtem Stück „The Green Manalishi“. Green singt und spielt kraftvoll. Dann wechselt er von der Gitarre zum sechssaitigen Bass, mit dem er das Stück beschließt und eine gewisse Rat lo sig keit zurücklässt. Die drei Boston-CDs sind das Live-Testa - ment von Fleetwood Mac mit Peter Green. Nach der Auflösung der Band sind drei weitere Live-LPs beziehungsweise -CDs mit Auf nah men aus den Jahren 1967 bis 1969 erschienen. „Live At the Marquee“ (da noch mit dem Bassisten Bob Brunning) und „London Live ’68“. „The Masters“ vermitteln trotz mäßiger Tonqualität einen recht guten Eindruck vom Potenzial der Band. Am besten aber gelingt dies mit der 1999 veröffentlichten CD „Shrine ‘69“. Der Auftritt vom 25. Januar 1969 liegt nicht nur in Soundboard-Qualität vor, sondern belegt auch, wie gut Fleetwood Mac zum Beispiel den Hit „Albatross“ live präsentieren konnten. Wie viele andere Bands waren auch Fleetwood Mac mehrfach Gäste in Sendungen der BBC. Dieses Archiv-Material erschien 1995 als Doppel- CD „Peter Green’s Fleetwood Mac live at the BBC“. Auch hier mischte die Band Greens Blues mit Spencers wenig interessantem Rock ‘n’ Roll. Daher wünscht man sich beim An - hören, dass von Greens Musik mehr zu hören gewesen wäre. 1998 war neben den Boston-CDs gleich die nächste Überraschung mit der Doppel-CD „The Vaudeville Years of Fleetwood Mac 1968 to 1970“ perfekt. Hier bekam man unter anderem Aufschluss über die bis dato unbekannten Aufnahmen, die für die Doppel-LP „Then Play On“ gedacht waren, dabei die kompletten Madge- und Underway-Jams, aus denen Fleetwood Mac in Boston live das 25-minütige „Rattlesnake Shake“ gemacht hatten. 2001 wurde weiteres unbekanntes Material nachgelegt mit der Doppel-CD „Show-Biz Blues 1968 to 1970 Vol 2“. Außer unveröffentlichten Live- Einspielungen aus dem Jahr 1970 hatte man unbekannt gebliebene Studio-Aufnahmen entdeckt. Die Live-Aufnahmen haben es in sich: zwei weitere Stücke aus Boston, im Übrigen Londoner Live-Aufnahmen des Jahres, dabei eine Version von „Rattlesnake Shake“, die sich von den Boston-Auftritten unterscheidet, und eine noch längere, über 15-minütige Fassung von „The Green Manalishi“, bei der Greens Bass-Spiel besonders aufregend ist. musiker MAGAZIN 3/2017
STORIES 47 Welche Spuren Green im Bluesrock hinterlassen hat, zeigen Tributes anderer Rock- Musiker. 1995 kam das „Peter Green Song - book (A Tribute to His Works In Two Volumes)“ in den Handel, auf dem zahlreiche Künstler ihm ein Denkmal setzten, dabei Rory Gallagher mit seinen beachtlichen Versionen des „Leavin’ Town Blues“ und des „Show-Biz Blues“. Im selben Jahr widmete der Rockgitarren-Virtuose Gary Moore seinem Mentor meisterlich die ganze CD „Blues For Greeny“, auf der er Greens be - rühmte Gibson Les Paul spielte. „Blues For Greeny“ war im selben Jahr auf dem Montreux Jazz Festival auch Moores Programm, das für eine DVD aufgezeichnet wurde. Ebenfalls 1995 legte der Rock-Gitarrist Bernie Marsden die kenntnisreich und liebevoll eingespielte CD „Green And Blues“ vor. Ab 2007 ging Drummer Mick Fleetwood mit seiner Mick Fleetwood Blues Band auf Tournee. Das Repertoire war geprägt von zahlreichen Green-Stücken, die die Band mit dem vielseitigen ehemaligen Fleet - wood-Mac-Gitarristen Rick Vito neu interpretierte, der außerdem alle Gesangsparts übernahm. Zwei verschiedene und beide lohnende Mitschnitte von 2008 waren ab 2010 unter dem Titel „Blue Again“ als CD und DVD erhältlich. 2009 erschien schließlich die längst überfällige Dokumentation „The Peter Green Story: Man of the World“ als DVD. Sie konnte zwar kaum auf anderes filmisches Material mit Green in Fleetwood-Mac-Tagen zurückgreifen, als es auf der alten VHS „The Early Years“ zu finden ist. Dennoch unterscheidet sich die Doku men ta - tion wohltuend von anderen, in denen Leute über Künstler sprechen, denen sie nie begegnet sind. Hier kommen überwiegend Peter Green zu Worte und Weggefährten wie Blue-Horizon- Gründer Mike Vernon, Mick Fleetwood (über Green berichtete er auch auf der 2003 veröffentlichten DVD „Fleetwood Mac – The Mick Fleetwood Story“), John McVie und Jeremy Spencer. Wie gut, dass Ton- und Bildträger dazu beitragen, außergewöhnliche Künstler vor dem Vergessen zu bewahren! NÄCHSTE FOLGE: JACK BRUCE – MUSIK OHNE GRENZEN TEXT: DR. NORBERT APING DR. NORBERT APING Geboren 1952, Buchautor und Leiter des Amtsgerichts in Buxtehude.
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