40 STORIES OLE: Musikfan war ich schon seit meiner frühesten Jugend. Diese Be - geisterung habe ich förmlich mit der Muttermilch aufgesogen und sie hat mich bis heute nicht mehr losgelassen. Und was gibt es Besseres, als wenn sich Leidenschaft und Passion miteinander vereinen. Musik trifft Malerei – ein Lebensgefühl trifft auf Erinnerungskultur. Das war dann so Mitte der 90er-Jahre – quasi mein Urknall. Nach einem Londontrip mit vielen wegweisenden Begegnungen sowie einem Abstecher zur Abbey Road, den Apple Studios und der Carnaby Street war klar: Ich male fortan Musiker- Portraits. Aber nicht beliebig, sondern als subjektive Hommage an meine musikalischen Wegbegleiter und durch alle Genres wie Rock, Beat, Pop, Jazz, Blues, Soul, Reggae und Punk. Doch damit nicht genug – dieses Projekt sollte eingrenzend nur den bereits Verstorbenen gewidmet sein, den schon „Vorgereisten“, den „Dead Rock Heads“ sozusagen. Liebe, Glaube, Hoff nung und Vergänglichkeit – das sind doch eh die großen Themen, um die sich das Leben rankt. John Lennon von den Beatles war damals im Jahr 1996 das erste Porträt. Es folgten ganz schnell Brian Jones, Janis Joplin, Jim Morrison, Marc Bolan und Jimi Hendrix. Das Projekt war nun geboren und wurde in den folgenden Jahren immer opulenter. Bis heute sind über 160 großformatige Portraits zur Serie entstanden, die in bundesweiten Exhibitions gezeigt wurden, unter anderem auf der Popkomm in Berlin, Burg Herzberg Hippie Festival, Musikmesse Frankfurt, Rock & Pop museum Gronau, W:O:A Billy F. Gibbons (ZZ Top) & Ole Ohlendorff Backstage Hamburg 2019 »Das Bild bekommt immer das, wonach es verlangt. Die gesamte Palette von Farben und Techniken steht mir ja zur Verfügung und ich bediene mich auch gerne dieser unglaublichen Materialienvielfalt – ob Schrot beschuss, Drogenbesteck, Plattencover, Herbst laub, Zeitungsausschnitte, Brandspuren, Winsener Heimaterde oder auch Stacheldraht.« www.musiker-online.tv
STORIES 41 MM: Du beschäftigst dich nicht nur mit den verstorbenen Musikern, sondern hast auch eine Reihe an Werken namens „Rock Le - gends Alive“. Wie bist du dazu gekommen, auch die lebendigen Musiker auf die Lein - wand zu bringen? OLE: Eines Tages hat mir die Muse mal ins Ohr geflüstert: Ole – warte doch nicht, bis deine Idole „eine Etage höher gezogen“ sind – male sie doch am besten gleich. Und so wurde 2013 diese Pa - rallel-Serie ins Leben gerufen und umfasst aktuell auch schon mehr als 45 Porträts … von Alice Cooper bis Billy F. Gibbons von ZZ Top. Außerdem nutze ich hier auch die Möglichkeit einer persönlichen Begegnung des Gemäldes mit dem besagten „Modell“. Das funktioniert ja mit den „Dead Rock Heads“ leider nicht mehr so einfach. Einige der „Rock Legends Alive“ haben mir bei dieser Gele genheit dann auch das jeweilige Werk mit einer Signatur, Widmung oder anderen Accessoires versehen. Zuletzt so ge - schehen im Jahr 2019, als ich zum Hamburger Konzert von ZZ Top eingeladen wurde. Billy F. Gibbons hat mich Back stage empfangen und eine frühe Easyrider-Zeich nung von mir signiert. Dann erfolgte noch eine Ein ladung in seine texanische Heimat zu einer zünftigen Harley-Davidson-Tour. Der Kreis schließt sich sozusagen. Wenn dann aber einer der „Rock Le gends Alive“ sterben sollte, wie unlängst der Rolling-Stones-Trommler Charlie Watts, dann wird ein ganz neues Gemälde fällig. Er ist ja jetzt ein „Dead Rock Head“. Der Tod bringt nämlich eine gänzlich veränderte und geheimnisvolle Dimension ins Spiel, die dann auf der Lein - wand auch sichtbar wird. Wacken Open Air, Reeperbahn Festival Hamburg und viele mehr. Die Aus stellungshistorie erstreckt sich hierbei vom Underground bis in museale Hemis phären. Die Magie meiner Bilder entführt die Men schen in ihre ganz persönliche Erinnerungs - welt. Außerdem wirkt das Projekt auch prima generationenübergreifend und lädt somit zur Kom mu nikation über alle Altersgruppen hinweg ein. Das ist dann sozusagen das Sahnehäubchen auf der Torte. MM: Wie entstehen neue „Dead Rock Heads“? Wie ist der Prozess von der Entscheidung des Motivs bis hin zum fertigen Bild? OLE: Also – zuerst muss der Musiker ja gestorben sein. Portrait posthum. Dann checke ich ab, ob die Musik auch in meinem Herzen „abgeparkt“ ist. Danach ist Recherchearbeit angesagt. Ich durchforste dabei wie ein Detektiv Archive, befrage Zeitzeugen, lese Biografien und bin natürlich auch im Internet unterwegs. Mein „Kandidat“ kann ja leider nicht mehr physisch im Atelier Modell sitzen. Diesen Umstand gilt es also zu kompensieren. Um dem Gemälde erst einmal ein Funda ment zu geben, nutze ich Fotomaterial von befreundeten Fotografen oder auch aus meinem persönlichen Fundus. Und dann ist da natürlich in allererster Linie die Musik. Sie begleitet den künstlerischen Schaf - fensprozess konsequent vom ersten bis zum letzten Pinselstrich. Darüber erfolgt dann auch der nötige Dialog mit dem Gemälde. Ich will dem Werk ja so viel wie möglich „Seele“ geben. Manchmal ergibt sich so auch eine wundervolle Zeitreise in eigene längst versandete Erinnerungen und Er - leb nisse. Subjektive und objektive Wahrneh mun - gen verschmelzen hier prima miteinander. Eine Galerie der Gegenwart, die aus der Vergan gen - heit kommt und sich an die Zukunft richtet. Darauf kommt es an … das ist die Quintessenz. Es geht mir hierbei immer um das Weiterreichen dieses Feuers. MM: Kommen wir zur praktischen Umset - zung. Benutzt du für die Bilder dieselbe Tech - nik und dieselben Materialien oder ändert sich das je nach Musiker? OLE: Meine Portraits sind ja auch ein Plädoyer für das Individuum. Jeder Mensch ist einzigartig und so gehe ich auch an das entsprechende Gemälde ans Werk. Am Anfang weiß ich in der Regel nicht, wie sich das Portrait noch entwickeln wird. Wie schon erwähnt, holt mich die Musik dabei bestmöglich ab. Und wenn ich den nötigen Groove habe, dann werden alle Kohlen ins Feuer geworfen. Das Bild bekommt immer das, wonach es verlangt. Die gesamte Palette von Farben und Techniken steht mir ja zur Verfügung und ich bediene mich auch gerne dieser unglaublichen Materialienvielfalt – ob Schrot beschuss, Drogen - besteck, Plattencover, Herbst laub, Zeitungsaus - schnitte, Brandspuren, Winsener Heimaterde oder auch Stacheldraht. Wenn die Werke dann in einer Ausstellung gezeigt werden, entfaltet sich best- 8 2/2022 musiker MAGAZIN
Laden...
Laden...
Laden...
Soziale Netzwerke
Facebook
Youtube
Twitter