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Musiker Magazin 03/2015

REVOLVERHELD – Immer in Bewegung "Wir sind keine Band, die ein Kunstprodukt ist und affektiert auf der Bühne steht." Deutscher Rock & Pop Preis 2015 78Twins – "Fast Beinahe Bekannt" Viola Tamm & Band – Samtig grell und anmutig dreckig! Nobody Knows – Postmoderne, bundesrepublikanische Folklore mit nordwesteuropäischer Note und ostokzidentaler Rhythmik Lady Moustache – Rauer und energiegeladener Sound Saris– Durch die Nische zum Erfolg DCseven – Mal rockig, mal funky, und dabei immer selbst gemacht Matthias Weisheit – Gitarrist, Singer-Songwriter, Bassist, Komponist, Textdichter, Produzent/Arrangeur, Lehrer/Dozent April Art – Kickender Crossover/Alternative Rock mit weiblicher Powerstimme und garantiert feinstem Abgehpotenzial Interview mit Paul-Gerhard Lange Die Historie der Rock- & Popmusik: Teil 3: Johnny Winter – Wintertime Again Es geht auch ohne Plattenfirma – aber nicht ohne deren Arbeit Als Musiker reicht mir doch eine Privathaftpflicht, oder?

14 STORIES Mit dem

14 STORIES Mit dem Kleinbus durch die Republik, die Instrumente selbst auf die Bühne wuchten und jeden Abend die Gunst des Publikums erneut erspielen. Für die 78 Twins ist das seit Jahren Routine. Dieser Alltag wurde jetzt von Peter Brandt und seinem Team dokumentiert. Mit uns hat Bastian Korn über die Entstehung des Films und über Erfolg gesprochen. MM: Im Februar hat euer Film „Fast Beinahe Bekannt“ Premiere gefeiert. Wer hatte die Idee zu dem Film? BASTIAN KORN: Die Idee kam von Peter Brandt (Peter Brandt Remote Recording). Peter hat über mehrere Jahrzehnte die „Großen“ des Musikge - 78 TWINS »Fast Beinahe Bekannt« schäfts live aufgenommen (u. a. die Rolling Stones, Sting). Er wollte nun eine Band zeigen, die ihre Ver stär ker noch selbst schleppt. So haben die Stones (oder jede andere erfolgreiche Band) ja auch mal angefangen. Für viele großartige, aber leider un be kannte Bands ist das ihr täglich Brot. Im Fern sehen sieht man so etwas nicht. Nicht bei Samu Haber und erst recht nicht bei Dieter Bohlen. MM: Der aufgezeigt harte Alltag eines Mu - sikers dürfte viele Illusionen zerstören. Wolltet ihr mit diesem Film den Beruf des Musikers von falschen Vorstellungen be freien? BASTIAN: Wir hatten das bei den Dreharbeiten zum Film nicht im Kopf. Ein wenig waren wir hinterher selbst erschrocken, wie hart manche Szenen wirken. Wir lieben unseren Job so sehr, dass wir das gar nicht als so schlimm empfinden. Der Film zeigt ja auch immer wieder unseren umjubelten Auftritt im Essener Bahnhof Süd. Es gibt auch diese vielen tollen Momente: ein großartiger Büh - nen gig, ein toller neuer Song, emotionale Reak - tio nen auf unsere Musik von Fans und Freunden. Es ist doch auch wichtig, dass man Träume und Illusionen hat. Die haben wir auch heute noch … MM: Viele träumen von Ruhm und Erfolg, vergessen dabei aber die harte Arbeit, die es braucht, um voranzukommen. War das bei euch früher ähnlich? musiker MAGAZIN 3/2015

STORIES 15 BASTIAN: Genau. Das ist sicherlich auch eine der wichtigen Aussagen des Films. Harte Arbeit ist die Grundlage für Erfolg, wie auch immer man Erfolg definiert. Es muss ja nicht immer der Top- Ten-Hit das Maß aller Dinge sein. Wir leben von der Musik heute gar nicht so schlecht. Für uns ist das auch schon ein Erfolg. Am Anfang meiner Musikkarriere hatte ich mir auch vieles einfacher vorgestellt. Ich war voll von Träumen und Illusio nen. Es war ein langer Lernprozess für mich. Gott sei Dank waren Disziplin und harte Arbeit nur in der Schule ein Problem für mich. MM: Der Filmtitel weist selbstironisch auf eure eigene Situation an. Woran ist bei euch der große Durchbruch bisher gescheitert? BASTIAN: Das kann ich nur schwer beurteilen. Vielleicht fehlte das richtige Timing oder Glück. Ehrlicherweise muss man natürlich sagen, dass wir eine Musik machen, die sicherlich in Deutsch - land nicht so einfach zu vermarkten ist. Piano- Balladen, Funk und Soul in englischer Sprache, da ist die Konkurrenz aus England und den USA schon sehr groß. Am Ende ist aber immer wieder entscheidend, ob man die richtigen Leute kennenlernt. Wir haben viele Leute kennengelernt, aber eben nicht die richtigen. MM: Was ermuntert euch dazu, trotz aller Rück schläge weiterzumachen? BASTIAN: Wir lieben, was wir tun. Das ist für mich auch die zweite wichtige Aussage des Films: Wenn du das zu deinem Job machen kannst, was du liebst, hast du schon gewonnen. Ich bin auch einfach stolz darauf, dass wir trotz der vielen Rück - schläge und schwierigen Momente immer noch da sind. Peter sagte einen Satz zu mir, der mich wirklich beeindruckt hat: „Umso öfter ich den Film sehe, desto mehr steigt mein Respekt vor euch.“ Wir meistern auch schwierige Situationen mit Herz und einer Prise Selbstironie. Außerdem gibt es mittlerweile auch viele Menschen, denen unsere Musik etwas bedeutet. Ein Platten mana ger sagte mal vor vielen Jahren zu mir: „Ich sehe einen Markt für die 78 Twins, den müsst ihr euch aber live er - spielen.“ Genau das haben wir getan. MM: Welche Ratschläge könnt ihr anderen Bands mit auf den Weg geben? BASTIAN: Lasst euch von niemandem etwas er - zählen! Also auch nicht von mir. MM: Wie lange haben Peter Brandt und sein Team euch begleitet? BASTIAN: Insgesamt hat die Produktion schon ein paar Jahre gedauert. Das war erst ein wenig anders geplant, aber so ist das ja fast immer bei solchen Produktionen. Alle hatten total Lust auf das Projekt und wir haben mit ganz viel Energie, »Ich bin auch einfach stolz darauf, dass wir trotz der vielen Rück schläge und schwierigen Momente immer noch da sind.« aber auch einer gehörigen Prise Naivität losgelegt. Das war ja gerade das Schöne und Außer - gewöhnliche an dieser Sache. Niemand hat uns getrieben oder uns reingeredet. Peter und Tobias mussten hinterher aus hundert Stunden Material einen Film basteln. Das war keine leichte Auf gabe für sie. Es hatte so ein wenig was von der „Magical Mystery Tour“ der Beatles. Für mich (aber ich spreche natürlich für die ganze Band) waren es eine große Ehre und ein Vergnügen, mit solchen Men - schen arbeiten zu dürfen. Das meine ich nicht nur fachlich, sondern auch menschlich. Es gibt leider zu wenig solcher Menschen in diesem Business. MM: Hat sich in dieser Zeit irgendetwas am Konzept des Films geändert? BASTIAN: Eigentlich nicht. Er war als Road Movie geplant und das ist er auch geworden. MM: Der Film hat im „Glückauf Filmstudio“ in Essen Premiere gefeiert. Was für Rück mel - dungen haben euch erreicht? BASTIAN: Wir haben schon am Premiere-Abend gemerkt, dass die Leute Spaß an diesem Film haben. Die Unmittelbarkeit (man sitzt praktisch mit uns im Bus) war für viele Leute faszinierend. Viele Musiker im Saal werden erleichtert festgestellt haben, dass es uns auch nicht viel besser geht. Viele Fans haben mir bei den letzten Kon - zerten erzählt, dass sie den Film schon viele Male angeschaut haben. Das finde ich wiederum faszinierend. MM: Peter Rüchel, Erfinder des Rock pa lasts, verfolgt eure Band schon länger und wird euch im Oktober auch auf Tour begleiten. Was können die Zuschauer erwarten? BASTIAN: Ich glaube, dass diese Kombination echt spannend ist. Peter hat vor vielen Jahren eine wahnwitzige Idee in die Tat umgesetzt und eine kleine Revolution in der medialen Musik land schaft ausgelöst. Er sagt selbst, dass heute so etwas nicht mehr möglich wäre. Bands wie wir hätten damals vielleicht eher eine Chance gehabt, auf die großen Bühnen zu kommen. Peter kann großartige Geschichten aus der Zusammenarbeit mit Rocklegenden erzählen. Solchen Menschen müssen wir zuhören. Irgend wann können wir diese Geschichten nicht mehr aus erster Hand erfahren. Wir werden an diesen Abenden zu den Geschichten den passenden Soundtrack liefern. Apropos Soundtrack: Peter Rüchel hat zu unserer Soundtrack-CD („Fast Bei nahe Live“) ein sehr schönes Vorwort ge - schrie ben. MM: Welchen Wunsch habt ihr für die Zu - kunft? BASTIAN: Wir würden gerne in zehn Jahren noch einen Film mit Peter und Tobias drehen und noch genauso viel darüber lachen. WEB: WWW.78TWINS.COM INTERVIEW: JANA MOYSICH FOTOQUELLE: WWW.78TWINS 3/2015 musiker MAGAZIN

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