Aufrufe
vor 8 Jahren

Musiker Magazin 03/2015

REVOLVERHELD – Immer in Bewegung "Wir sind keine Band, die ein Kunstprodukt ist und affektiert auf der Bühne steht." Deutscher Rock & Pop Preis 2015 78Twins – "Fast Beinahe Bekannt" Viola Tamm & Band – Samtig grell und anmutig dreckig! Nobody Knows – Postmoderne, bundesrepublikanische Folklore mit nordwesteuropäischer Note und ostokzidentaler Rhythmik Lady Moustache – Rauer und energiegeladener Sound Saris– Durch die Nische zum Erfolg DCseven – Mal rockig, mal funky, und dabei immer selbst gemacht Matthias Weisheit – Gitarrist, Singer-Songwriter, Bassist, Komponist, Textdichter, Produzent/Arrangeur, Lehrer/Dozent April Art – Kickender Crossover/Alternative Rock mit weiblicher Powerstimme und garantiert feinstem Abgehpotenzial Interview mit Paul-Gerhard Lange Die Historie der Rock- & Popmusik: Teil 3: Johnny Winter – Wintertime Again Es geht auch ohne Plattenfirma – aber nicht ohne deren Arbeit Als Musiker reicht mir doch eine Privathaftpflicht, oder?

36 STORIES Interview mit

36 STORIES Interview mit PAUL-GERHARD LANGE Seit mehr als fünf Jahrzehnten ist Paul-Gerhard Lange in verschiedenen Bandformationen mit seinem Bass vertreten. In seinem neuesten Projekt experimentiert der in der Nähe von Bielefeld lebende Künstler mit einem Looper. MM: Paul-Gerhard, du kannst auf eine lange Karriere als Bassist zurückblicken. Vor allem der Blues hat es dir dabei angetan. Was fasziniert dich an dieser Musikrichtung besonders? PAUL-GERHARD LANGE: Für mich ist das Ur - sprüngliche, Rohe das Besondere am Blues. Dieses Rohe findet sich sowohl in den Texten als auch bei den Harmonien. Einfache, aber schöne Strukturen, die jede Menge Raum für Impro visa - tionen geben. MM: Wie bist du damals dazu gekommen, Bass zu spielen? PAUL-GERHARD: Mit der Musik ging es in der Schule los, allerdings ohne Bass und Blues. Der Musiklehrer überredete mich, Geige zu lernen. Nach einigen Jahren, in denen ich Geigenunter - richt bekam, wurde mir das aber zu brav und ich gründete mit Udo Lummer die Skiffle-Gruppe „The Thimbles“. Aber auch das ging nach unserer damaligen Auffassung nicht genug vorwärts, und so kam es zur Gründung der „Green Onions“, die es mit der Anfang der 1960er-Jahre angesagten Beatmusik zu einer bescheidenen Be - rühmt heit brachten. Unsere Eltern nannten diese Musik „Negermusik“. In der Band hatte ich die erste Berührung mit dem E-Bass und die zweite mit Udo Lummer, der die Leadgitarre bediente. Warum ich zum E-Bass kam? Ganz einfach: Der Bassist fehlte und die Kollegen schauten mich erwartungsvoll an. Schon war ich der Bassist. MM: Du sagst, dich hätten die Rolling Stones und die Beatles musikalisch sehr geprägt. Was genau hast du von den Bands gelernt bzw. inwiefern sind sie dir Vorbild? PAUL-GERHARD: Unsere Musik war geprägt von britischen Bands wie den Rolling Stones, Yard - birds, Kinks, Moody Blues und den Animals. Da wurde die Basis für meine späteren Aktivi tä ten in der Bluesmusik gelegt, weil sich die Beatmusik am 12-Takt-Schema des Blues orientierte. In den ersten Jahren, also ab 1960, haben mich die Skiffler wie Ken Colyer, Alexis Korner und allen voran Lonnie Donegan geprägt. Es ist heute fast vergessen, dass Lonnie Donegan in den 1950er- Jahren monatelang die Charts anführte. Viele der späteren Superstars wie die Beatles, Rolling Stones, Clapton, Knopfler, Elton John und Rod Stewart begannen als Skiffle-Groups. Ich habe immer versucht, von den Bassisten und zum Teil auch den Gitarristen das abzuschauen, was gerade für unsere Musik dienlich war. MM: 2013 hast du mit Udo Lummer LOOP- AHEAD gegründet. Ihr tretet live mit einem Looper auf. Wie kann man sich so einen Auf tritt vorstellen? Was ist das Besondere daran? PAUL-GERHARD: Das Live-Looping ist vom mu - sikalischen Massenmarkt weit entfernt. Weil das Realtime-Looping den Musikern die Möglichkeit zum Aufbau vielschichtiger und komplexer Klang - strukturen bietet, sind die meisten Looping- Künstler Solomusiker. Bei LOOPAHEAD wird die Klangvielfalt durch den Einsatz von Gitarren-Effekt - geräten erzeugt. Dabei spielt Udo zu einer vorher eingestellten Drumspur. Das wird in der Loop - station gespeichert; dann spielt die Gitarre eine weitere Spur dazu, die ebenfalls im Looper ge - speichert wird. Auf der Bühne setzen wir zwei bis vier Gitarrenspuren ein, womit wir einen Effekt er - reichen, als würden zwei, drei oder vier Gitarren gleichzeitig spielen. Nachdem die Spuren eingespielt sind, werden die ersten Gesangs- oder Solo - parts live dazu gespielt bzw. gesungen. Es ist faszinierend, wenn das Publikum und wir erleben, wie sich eine musikalische Schicht über die eingespielten Schichten legt. Das Live-Looping erfordert eine große Konzentration und ein hohes Maß an Disziplin. So entsteht in Interaktion mit dem Publikum ein musikalisches Unikat. MM: Du bist ja ein alter Hase im Musik busi - ness. Wie schätzt du die aktuellen Entwick - lungen und Trends bezüglich Streaming- Portalen und CD-Verkauf ein? PAUL-GERHARD: Die Veröffentlichung von Musik ist durch die technische Entwicklung in den letzten Jahren sehr einfach geworden. Das führt aber musiker MAGAZIN 3/2015

STORIES 37 »Das Live-Looping erfordert ein hohes Maß an Disziplin. So entsteht in Interaktion mit dem Publikum ein musikalisches Unikat.« auch dazu, dass eine schier unübersehbare Menge von Bands in den Markt strömen, die ihre Musik kostenlos über YouTube anbieten. Wenn eine Band einen Deal mit einer Major-Company bekommt, ist das eher die Ausnahme. Leider sind die Ausschüttungen an die Musiker recht dürftig. Wenn das Streaming die Zukunft der Musik sein sollte, bleibt in dieser Zukunft kaum etwas für die Musiker übrig. Da ist es lukrativer, die Tonträger bei Konzerten zu verkaufen. Wir ver folgen derzeit die Renaissance der Vinyl-Schall platte und über legen, einen solchen Ton träger mit eigenen Bluestiteln zu veröffentlichen. Allerdings sind die Kosten dafür viel höher als für eine CD und wir erreichen nur eine kleine Anzahl von Ab nehmern. Darum ist unser Ent schei dungs pro zess noch nicht abgeschlossen. MM: Die Band, in der du am längsten spielst, ist die Formation „Worried Men Skiffle Group“. Ihr habt jede Menge miteinander er - lebt, viele Konzerte gespielt. Ist ein Ar beiten und Musizieren in so einer Gruppe anders als in den Projekten, die kürzer bzw. zwischendurch laufen? Was genau ist anders? PAUL-GERHARD: 1976 trat ich in die „Worried Men Skiffle Group“ ein, die seit 1962 existierte. Doch nach etwa fünf Jahren war die Luft raus und die Musik unseres Idols Lonnie Donegan wurde uns zu brav. Es erfolgte nahtlos der Übergang zum Blues mit Gründung der „Flatfoot Sam Blues Band“ im Jahre 1981. Hier spielte ich die Rhythmus- Gitarre. Unsere Musik war die des Robert Johnson und anderer Delta-Blues-Musiker, aber auch die der im Norden der USA beheimateten Urban- Blues-Musiker. Immer wieder gab es in den Jahren sich zeitlich überlappende Projekte und Bands. Ein Revival erlebten die „Worried Men Skiffle & more“ ab 1998, das bis heute erfolgreich anhält. Kürzlich haben wir unseren dritten Tonträger vorgelegt. In dieser Gruppe, die so viele Jahrzehnte zusammen spielt, entwickelte sich im Laufe der Zeit ein starker, fast familiärer Zusam - menhalt. So machen wir seit geraumer Zeit einmal im Jahr eine gemeinsame Freizeit, an der auch die Partner teilnehmen. MM: Nach all den Jahren: Was würdest du heute, musikalisch gesehen, anders machen? PAUL-GERHARD: Ich würde mehr und intensiver üben. In den frühen Jahren waren die technischen Möglichkeiten sehr begrenzt. Da konnten wir nur die Schallplatten immer wieder anhören, um die Details herauszuhören. Die musikalischen Qualitä - ten vieler Bands waren damals nicht so gut. Heute gibt es im Internet die Möglichkeit, Bass- und Gi tar - renlinien herunterzuladen oder sich mit Lehrvideos die gewünschten Titel und Pas sagen anzusehen. Das hilft sehr bei der musikalischen Entwicklung. MM: Was rätst du jungen Nachwuchs mu si - kern, die sich auf dem heutigen Markt be - haupten müssen? PAUL-GERHARD: Sie sollen eine ordentliche Aus - bildung abschließen, auf die man im Zweifel zu - rück greifen kann. Außerdem müssen sie fleißig live spielen, denn das übt und man bekommt Kon takte. Zudem sollte eine gute Mischung aus eigenen Titeln und Coverversionen gespielt werden. Ganz wichtig ist eine gute Homepage, die ständig gepflegt werden muss. MM: Welche Ziele hast du für die Zukunft? Denkst du schon an das Ende deiner Musi - ker karriere? PAUL-GERHARD: Antwort zu Frage 1: Möglichst oft auf der Bühne stehen und Musik machen. Antwort zu Frage 2: Warum sollte ich? WEB: WWW.LOOPAHEAD.DE INTERVIEW: JANINA HEINEMANN FOTOQUELLE: PAUL-GERHARD LANGE 3/2015 musiker MAGAZIN

Archiv