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Musiker Magazin 4/2017

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STORIES: Seite 09: Deutscher Rock & Pop Preis 2017 – Gewinner • Seite10: Interview mit Wolfgang Niedecken – „Das Familienalbum – Reinrassije Strooßekööter“ • Seite 18: LORELAY – Maximale Freiheit • Seite 21: RAZZMATTAZZ – Kick Some Ass • Seite 24: JOONIC – „Sei kein Frosch“ • Seite 26: Jeder Song ein Lieblingslied – Interview mit SWEETY GLITTER & THE SWEETHEARTS • Seite 30: Interview mit Danny June Smith • Seite 32: Lieber Nische als Mainstream – Interview mit Rainer Markus Wimmer• Seite 34: Saby O’ – Lyrische Melodien, folkige Gitarrenklänge; dazu eine Stimme, die vom ersten Ton an tief berührt • Seite: 36 Ann Doka – New Country ist Pop – ganz ohne Plastik • Seite 38: FLAME – Fröhliche, lebensbejahende Musik, zu der man tanzen kann• Seite 40: Björn Amadeus – Musik, die das Herz berührt • Seite 42: Die Historie der Rock- & Popmusik: Teil 9: Jack Bruce – Musik ohne Grenzen• Seite 48: Zeiten des Aufbruchs – Mats Henningh verbindet seine Musik mit Geschichte –– MUSIKBUSINESS –– Seite 50: Coaching – die persönliche Form der geschäftlichen Beratung • 52 Männer machen Musik, Frauen die Muse –– RUBRIKEN –– Seite 04: Musiker-News • Seite 55: Produkt-News • Seite 62: CD-Rezensionen • Seite 64: Titelschutzanzeigen • Seite 65: Kleinanzeigen • Seite 66: Impressum

52 MUSIKBUSINESS MÄNNER

52 MUSIKBUSINESS MÄNNER MACHEN MUSIK, FRAUEN DIE MUSE In der Popmusik sind die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern nach wie vor ungerecht verteilt Musik ist nicht nur Kultur, sondern auch eine Industrie. Eine Industrie, die sich nach rückläufigen Umsätzen Anfang der 2000er-Jahre langsam wieder erholt. Die Machtverhältnisse sind derzeit aber ähnlich geblieben: Vor allem der Inner Circle der Musikindustrie ist nach wie vor ein Männerverein. In den Vorstandsetagen von Sony, Universal und Warner Music International sitzen ausschließlich Männer und nur knapp acht Prozent der beim Verband unabhängiger Musik - unternehmen registrierten Firmen werden von Frauen geführt. Dabei sind laut einer Umfrage von UK Music, einer Organisation, welche die Interessen der kom - merziellen Britischen Musikindustrie vertritt, sogar 59 Prozent der Berufseinsteiger im Musikbusi ness Frauen. Sie machen damit mehr als die Hälfte der Mitarbeiter zwischen 25 und 34 Jahren aus. Unter den älteren Mitarbeitern (ab 45 Jahren) und auf Führungsebene finden sich dagegen kaum Frauen. Lange Zeit war der übliche und einzige Ein - stieg von Frauen in die Branche der Job als Pro - moterin. Hübsche junge Mädchen machten den meist männlichen Pressevertretern die Produkte musiker MAGAZIN 4/2017

MUSIKBUSINESS 53 der Musikindustrie schmackhaft. Für hochrangige Jobs wurden Frauen eher nicht in Betracht ge zogen. Diese Strukturen ändern sich langsam, sind aber gerade bei den Majors nicht leicht aufzubrechen. In Interviews geben in der Musikindustrie tätige Frauen überdies immer noch häufig an, mit Sexismus konfrontiert zu sein. Sobald ein Mann mit im Raum sei, werde mit ihm das Geschäftliche besprochen, auch wenn eine Frau alle zu be - sprechenden Konzepte selbst ausgearbeitet habe. Viele Befragte räumen aber ein, dass ihre Arbeit auch von etlichen männlichen Kollegen in der Bran che geschätzt werde, denen zumeist gar nicht auffalle, dass in den höheren Positionen oder auch z. B. in Musikredaktionen kaum Frauen vertreten sind. UND WIE SIEHT DAS GANZE AUF KÜNSTLERSEITE AUS? Im Durchschnitt sind unter den Interpreten der Deutschen Single-Charts seit 2000 nur 26 Pro - zent Frauen. Das ist den meisten gar nicht so be - wusst. Auch auf großen Festivals liegt der Anteil weiblicher Interpreten oft bei unter 10 Prozent. Hier fällt auf, dass die meisten Künstlerinnen Sän ge - rinnen sind, Instrumentalistinnen sind selten. An den Universitäten studieren zudem mehr Männer Popularmusik als Frauen. Frauen belegen auch da zumeist das Fach Gesang. Ein paar Bassis tin - nen und Schlagzeugerinnen gibt es, aber selten Gitarristinnen oder Keyboarderinnen. Im Jazz stu - dieren die Frauen meist Gesang und Piano und sind an den anderen Instrumenten seltener vertreten. Welche Gründe kann das haben? Werden Mädchen generell weniger ermutigt, selbst aktiv in einer Band zu spielen oder hinter den Turn tables zu stehen, sondern in die Rolle als Muse, Groupie und Fan gedrängt? Rockmusik hat ihre Wurzeln im Blues und im Country, die zum Teil sehr vom Machotum geprägt waren. Im Schnitt fangen Frauen tatsächlich deutlich später an, in einer Band zu spielen, als Männer. Zwar nehmen sie häufig schon als Kind Musik - unterricht, eine klassische Ausbildung ist für den Einstieg in eine Band aber unter Umständen nicht ausreichend. Hier muss man sich von Noten dis - tanzieren, die Musik fühlen, selbst kreativ sein und sich Parts für sein Instrument ausdenken. Alles muss auswendig gespielt werden – oder es bleiben selbst für exzellente Instrumentalisten nur simple Parts zugunsten der anderen Band mit - glieder übrig (damit zum Beispiel der Gesang besser durchkommt, der mit der Frequenz der Gitarre konkurriert). Für viele Männer ist die Band oft auch ein Rückzugsort von zu Hause (ähnlich wie manche Sportvereine), wo sie unter sich sein können. Sie machen die Band außerdem häufiger zu ihrem Lebensmittelpunkt, während Frauen häufig noch andere Prioritäten, vor allem im sozialen Bereich, setzen. Auch die für Bands typischen elektronischen Instrumente bringen Herausforderungen mit sich. Da Mädchen in ihrer Sozialisation in der Regel weniger mit Technik herumexperimentieren, liegt bei ihnen unter Umständen die Hemm schwelle im Umgang mit Hightech-Geräten höher, sie haben zum Beispiel Angst vor einem Feed back der Ver - stärker. Außerdem muss man sein Equipment warten und gegebenenfalls auch re parieren können, und nicht nur dafür sind Fach begriffe unabdinglich. Auf Konzerten muss man sich schließlich mit den Technikern beim Sound check und dem Ver - an stalter im Vorfeld verständigen können. Wäh - rend Männer sich häufiger für technische Spiel e - reien begeistern, sind Frauen eher desinteressiert. Das kann an ihrer Sozialisa tion liegen, aber auch daran, dass Männer gern fachsimpeln und Frauen dabei systematisch aus grenzen. Die Hürden für eine Frau, ein Instrument in einer Band zu spielen, sind also höher. Am leichtesten haben es noch Bassistinnen. Der Bass ist in einer Pop-/Rockband ein eher unbeliebtes Instrument, das man am schlechtesten heraushört. Auch ist der Bassist als Teil der Rhythmusgruppe weniger am Songwriting beteiligt und steht seltener durch Soli im Vordergrund. Das mächtige und laute Schlagzeug sowie die Aufmerksamkeit garantierende Gitarre bleiben jedoch häufig in Männer - hand. Frauen wird eben kaum Verständnis für Musik zugetraut, sie sind in erster Linie dazu da, der Band zu huldigen. Auch die Anzahl weiblicher DJs ist geringer, zudem werden sie weniger ernst genommen. Be - kannte It-Girls oder Erotikmodels, die als „DJane“ arbeiten, tragen dazu bei. Bei ihnen läuft in der Regel ein vorproduzierter, fertiger Mix, während die Künstlerin ein paarmal etwas ins Mikro sagt, aber im Grunde keiner DJ-Tätigkeit nachgeht. In anderen Genres wie dem Dance sind Frauen eben falls meist in der klassischen Besetzung als Sängerin anzutreffen, während ein Mann an den Keys bzw. Turntables steht. Als Produzentinnen oder Komponistinnen wiederum treten Frauen nahezu überhaupt nicht auf. Selbst hinter den Hits weiblicher Interpreten wie Helene Fischer, Nena oder internationaler Top - stars wie Ariana Grande, Beyoncé oder Céline Dion stecken oft Männer. BR Puls hat zusammen mit der GEMA die 100 Songs analysiert, für die Urheber in der Zeit von 2001 bis 2015 die meisten Ausschüttungen durch Radioairplays erhielten. Er - gebnis: Nur rund 11 Prozent der Songs stammen von Frauen. Dass Frauen überhaupt komponieren und Kom - position studieren dürfen, war lange Zeit nicht selbstverständlich; darum gibt es auch wenige historische Vorbilder. Eine Ausnahme erscheinung wie Clara Schumann durfte nur komponieren, weil sie von ihrem Vater und ihrem Mann sehr gefördert und unterstützt wurde. Fanny Hensel, die Schwester von Felix Mendelssohn, veröffentlichte einige Stücke unter dem Namen ihres Bruders, weil ihre Stücke anderenfalls nicht anerkannt worden wären. Bis heute scheinen sich diese Struk - turen auszuwirken. »Werden Mädchen generell weniger ermutigt, selbst aktiv in einer Band zu spielen oder hinter den Turn tables zu stehen, sondern in die Rolle als Muse, Groupie und Fan gedrängt?« In der Welt der klassischen Musik ist die Hürde für Frauen, ein Instrument zu erlernen, deutlich nie driger. Hier wird wie in der Musikschule nach Noten gespielt, die Mädchen sammeln im gleichen Alter wie die Jungen Erfahrungen am Instrument. Dirigentinnen aber sind bis heute ebenfalls rar ge sät. Alte Strukturen, traditionelle Sozialisation und fehlende Vorbilder bremsen also den Zugang der Frauen in die Musikbranche, möglicherweise leis tet aber auch die Berichterstattung über Musik ihren Beitrag: Vielleicht liegt das daran, dass die Musik - nerds, die sich im Internet und auf Messen austauschen, in der Regel Männer sind. Einige Frauen veröffentlichen ihre Artikel sogar teils unter männlichem Pseudonym, um, insbesondere bei Online- Veröffentlichung, weniger unsachliche Kri tik, die primär gegen das Geschlecht der Autorin geht, einstecken zu müssen. Nur etwa 20 Prozent der Musikjournalisten sind Frauen – das ist deutlich weniger als in anderen Kulturressorts. Über weibliche Künstler wird zu - dem oft anders berichtet als über männliche. Sehr oft wird das Geschlecht selbst zum Thema, 8 4/2017 musiker MAGAZIN

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