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Musiker Magazin 2/2022

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FESTIVAL: Deutscher Rock & Pop Preis 2022 – Plakat; Deutscher Rock & Pop Preis 2022 – Konzept STORIES: Lisa Fitz – Die renommierteste deutsche Kabarettistin und Trägerin des Bayerischen Verdienstordens; Rockenbolle – Die Cowboys aus der Hölle; TOKUNBO – »Golden Days«; David Beta – Seine Songs sind ein Mix aus Pop und Singer-Songwriter mit Hip-Hop-Einflüssen; ​Brennpunkt – Rockt dich mit authentischen deutschen Texten; EDELMEER – Zwei top-erfahrene Musiker mit Spaß und Hingabe für den deutschen Popschlager; Buffy Wallborn – (Ist) keine für eine Schublade; Die Geschichte von Epos; Ole Ohlendorff – Let The Good Times Roll; Die Historie der Rock- & Popmusik: Drei Pioniere: Alexis Korner, Cyril Davies, Graham Bond; Seyran – Ein musikalisches Gesamtpaket; Birds on Planes – Sie liefern eine energiegeladene Liveshow, bei der die Ohren Augen machen; Melissa Kross – Ich bin ein „Showgirl“ ; 25 Jahre Alfred Music Publishing GmbH RUBRIKEN: Musiker-News; Produkt-News; CD-Rezensionen; Titelschutzanzeigen; Kleinanzeigen; Impressum

48 STORIES Bonds

48 STORIES Bonds Diskografie ist entschieden bescheidener. Zu seinen Lebzeiten sind sogar nur drei eigene bemerkenswerte Studio-Alben und eine Live- LP herausgekommen. Andere Veröffent lichungen bis zu seinem Tod bilden eher einen Flicken - teppich. Und dennoch reicht Bonds Bedeutung für den British Blues und die Rockmusik weit über all das hinaus. Der Rockpoet Pete Brown, der prägende Texte zu Songs der Supergruppe Cream verfasste, war mit Bond befreundet und ist sein musikalischer Nachlassverwalter. Er ist der Mei - nung, dass Bonds Band, die Graham Bond Orga ni sation, eine der drei wichtigsten britischen Bands überhaupt gewesen sei und für Musiker die Bedeutung besessen habe, wie die Beatles sie für ihre Fans hatten. Bond wurde Ende Oktober 1937 geboren, zur Adoption freigegeben und Anfang März 1938 von einem Ehepaar adoptiert, das ihm seinen Namen gab. Wer seine leiblichen Eltern waren, erfuhr er nie, und darunter litt er. Erst im Jahr nach seinem Tod gestand das britische Recht adoptierten Kindern zu erfahren, wer ihre leiblichen Eltern waren. Auf der Suche nach seiner Identität hielt Bond sich einige Zeit für den nichtehelichen Sohn des Okkultisten Aleister Crowley. Er geriet unter den Einfluss von Drogen, die sein Leben endgültig scheitern ließen. Anfang Mai 1974 wurde er von einer Londoner U-Bahn überfahren und starb auf der Stelle. Möglicherweise hatte er Selbst mord begangen. Als Bond sich im November 1962 Korners Blues Incorporated anschloss, tat er dies, um sich Rhythm & Blues zu widmen. Er hatte bereits eine Karriere als Jazzmusiker hinter sich. 1954 hatte er als Alto-Saxofonist mit dem Drummer Terry Lovelock das Terry Graham Trio gegründet, das bis 1958 zu einem Quintett angewachsen und bis etwa Anfang der 1960er-Jahre zusammengeblieben war. In diese Zeit fielen erste gemeinsame Auftritte mit Heckstall-Smith. 1961 hatte Bond auch bei den Live New Departures ge spielt, deren Drummer Baker war, und wechselte zum New Don Rendell Quintet, der führenden britischen Hard- Bop-Jazzband. Von Herbst 1962 bis Mitte 1963 war er dann teilweise parallel zur Blues Incor po - rated Mitglied des Johnny Burch Octet. In Korners Band entwickelte Bond mit Saxofon und Orgel seinen kraftvoll-aggressiven Stil und sang dazu. Aber schon nach wenigen Monaten verließ er im Februar 1963 mit Baker und Bruce die Blues Incorporated. Gemeinsam traten die drei als Graham Bond Trio auf, in dem Bond der Lead - sänger war. Sie verstärkten sich mit dem Gitar - risten John McLaughlin zum Quartett. Als McLaughlin im September 1963 durch Heckstall- Smith ersetzt wurde, nannte sich diese Band Graham Bond Organisation, die bis November 1965 existierte. Gelegentlich war auch Bruce der Leadsänger und spielte hin und wieder Blues- Mundharmonika. Mitte Oktober 1964 wurde in Giorgio Gomelskys Londoner Club Klooks Kleek ein Konzert der Graham Bond Organization mitgeschnitten, das Anfang der 1970er-Jahre in sehr mäßiger Tonqualität als LP „Live At Klooks Kleek“ verkauft wurde. Heute ist der Mitschnitt als CD zu haben, die tontechnisch überarbeitet wurde und akustisch erträglich ist. Bruce brillierte mit den Songs „The First Time I Met The Blues“ und „Train Time“, während Baker während des Blues- Klassikers „Early In The Morning“ Gelegenheit für ein längeres Drum-Solo erhielt. Insgesamt vermittelt das Konzert einen guten Einblick in die mu si kalische Kapazität der Graham Bond Orga - nization. 1965 wurde die LP „The Sound of 65“ der Graham Bond Organization veröffentlicht. Da es sich im Wesentlichen um das in vielen Live-Auf - tritten erprobte Repertoire der Graham Bond Orga - nization handelte, hatte sie in nur drei Stunden eingespielt werden können. „The Sound Of 65“ ist eines der wegweisenden Studioalben der Rock - musik mit einer elektrisierenden Bestands auf - nah me des britischen Bluesrocks samt seinen Jazzeinflüssen, den diese Band einzigartig repräsentierte. Es sind bereits alle Ansätze vorhanden, die die herausragenden Bands Cream und Colosseum berühmt machen sollten. Deren Schatten werfen die Interpretationen von „Hoochie Coochie Man“, „Early In The Morning“, „Train Time“, „Wade In The Water“ und Bonds Stücke „Little Girl“ und „I Want You“ voraus. Ein unnötiger Ausrutscher ins Schnulzenhafte ist freilich „Tammy“, eine Version des Titelsongs der gleichnamigen beliebten US-TV-Serie. Noch im selben Jahr legte die Graham Bond Organization die LP „There’s A BOND Between Us“ nach. Noch eindeutiger auf Rhythm & Blues ausgerichtet, punktet die gute LP mit Bonds „Walking in the Park“. Dieses Stück gehörte 1969 zur ersten Colosseum-LP „Those Who Are About To Die Salute You – Morituri Te Salutant“ und ist bereits ähnlich spannend. Dennoch hat „There’s A BOND Between Us“ nicht die Wucht von „The Sound Of 65“. Immerhin bescherten die beiden LPs der Band noch im selben Jahr die Mit wirkung in dem hanebüchenen britischen Film „Gonks Go Beat“, der „Plan 9 From Outer Space Of Film Musi - cals“ genannt wurde und als einer der schlechtes - ten Filme überhaupt gilt. Der Erfolg beider LPs blieb jedenfalls aus, und die Band litt vor allem durch Drogen und den ständigen Streit zwischen Baker und Bruce unter Instabilität. Beide warfen einander vor, zu laut zu spielen. Ihre Hassliebe endete erst mit Bruces Tod im Jahr 2014. Bonds Heroinkonsum war vorübergehend zum Stillstand gekommen. Auch zu besseren Zeiten war Bond allerdings chaotisch gewesen. Mit seinen finanziellen Mitteln und denen seiner Band war er bedenkenlos umgegangen. Heckstall-Smith zufolge überraschte Bond seine Bandkollegen mit einer neuen, sündhaft teuren Hammondorgel für damals enorme 1000 britische Pfund, die die Graham Bond Organization sich nie hätte leisten können. Deswegen schwindelte er vor, das Instrument sei ihm zu Werbezwecken kostenlos überlassen worden. Als die Band bald nach dem zweiten Album zerfiel, verschlechterte sich seine psychische Lage. Nachdem Baker und Bruce ausgeschieden waren, um mit Eric Clapton Cream zu gründen, fehlte ein Bassist, sodass Bond über seine Keyboards einen Pedal-Bass spielte. Das Trio mit Bond, Heckstall-Smith und dem künftigen Colosseum-Drummer Jon Hiseman nahm 1966 und 1967 so wenige Songs auf, dass sie kein komplettes Album füllten. Der Grund war, dass Heckstall-Smith und Hisemann sich John Mayalls Bluesbreakers anschlossen. Erst 1970 wurden die Aufnahmen des Trios auf der LP „Solid Bond“ veröffentlicht. Überwiegend besteht dieses Album aus Live-Aufnahmen des Graham Bond Quartet mit Baker, Bruce und McLaughlin von 1963, zum Teil mit Jazz-Improvisationen in den letzten beiden Stücken „The Grass Is Greener“ und „Doxy“. Das Gesamtergebnis repräsentiert Trio und Quartett sehr gut. Mit seinem satten Rhythm & Blues und Jazzrock wäre „Solid Bond“ 1967 als rascher Nachfolger der beiden LPs von 1965 bestens geeignet gewesen. So aber stand Bond im Verlauf des Jahres 1967 musikalisch allein da und schlug sich mit gelegentlichen En ga ge - ments durch. Er griff erneut zum Heroin und verfiel ihm endgültig. Da schien es ein fantastischer Vorschlag des britischen Designer-Teams mit dem bezeichnenden Namen „The Fool“ zu sein, Bond solle ein neues Album in den USA aufnehmen. Ohne Arbeits - erlaubnis entstand dort unter chaotischen Be - dingungen die 1968 veröffentlichte LP „Love Is The Law“, bei der Bond nur durch Begleitgesang und Schlagzeug unterstützt wurde. Auf dem Cover schrieb man seinen Vornamen falsch mit Grahame. Das musikalische Ergebnis war zwar nicht übel, fällt aber verglichen mit den beiden Alben der Graham Bond Organization von 1965 merklich ab. Bond wirkte wie ein Alleinunterhalter auf, der sein Handwerk versteht. Als „Love Is The Law“ viele Jahre später mit Bonustracks aus der Zeit der Graham Bond Organization veröffentlicht wurde, verstärkte dies den Kontrast. Das mit einer größeren Anzahl von Studiomusikern aufgenommene folgende US-Album „Mighty Grahame Bond“ fiel ähnlich wie „Love Is The Law“ aus, www.musiker-online.tv

STORIES 49 wenn nicht sogar noch beliebiger. Im CD-Zeitalter musste „Mighty Grahame Bond“ mit weniger interessanten Bonus-Tracks auskommen. Nach dem US-Intermezzo konnte Bond immer - hin wieder in seinem Element sein. Baker hatte nach der Auflösung von Cream die von afrikanischen Einflüssen geprägte Band Air Foce gegründet, in der Bond von 1969 bis 1971 Rhythm & Blues singen und spielen konnte. Zu hören ist er auf Bakers beiden Air-Force-Alben und dem Band- Album „Do What You Like“, das erst 2015 auf den Markt kam. Ginger Bakers Air Force spielten 1970 unter anderem im legendären Bremer Beat-Club. Bond wirkte dabei bereits körperlich heruntergekommen. 1970 gelang Bond jedoch die Pro duk - tion eines weiteren Solo-Albums, das musikalischen Stillstand ohne jeden innovativen Fort schritt bedeutete. Die esoterisch angelegte LP „Holy Magick“ folgte in einer musikalisch ermüdenden Improvisation über Rituale auf der A-Seite dem Gedankengut des Okkultisten Aleister Crowley und fiel auf der B-Seite durch Bonds instrumen- Graham Bond Organisation »„The Sound Of 65“ ist eines der wegweisenden Studioalben der Rock musik mit einer elektrisierenden Bestandsaufnahme des britischen Bluesrocks samt seinen Jazzeinflüssen, den diese Band einzigartig repräsentierte. Es sind bereits alle Ansätze vorhanden, die die herausragenden Bands Cream und Colosseum berühmt machen sollten.« tales Können immerhin erträglicher aus. Das Nach - folgealbum „We Put Our Magick On You“ von 1971 befasste sich mit weitaus besserer Musik mit fernöstlicher Religion. Die zeitgenössische Kritik hielt „Holy Magick“ für langweilig und war überzeugt, dass Bond ein solches Machwerk niemals herausgebracht hätte, wenn ihm die ihm gebührende Anerkennung für die Musik der Graham Bond Organization in den 1960er-Jahren nicht vorenthalten geblieben wäre. Über die frühe Phase der Band von Februar 1963 bis Herbst 1964 legte Pete Brown 2012 mit dem empfehlenswerten 4- CD-Set „Wade In The Water. Classics, Origins & Oddities“ einen ebenso vorzüglichen wie würdigen Überblick vor. Auf vier weiteren CDs wurden 2015 Bonds Live-Aufnahmen für das BBC-Radio aus der Zeit von 1962 bis 1972 auf vier weiteren CDs zusammengefasst. Sie alle belegen plastisch Bonds musikalischen Stellenwert und den seiner Band. Wie wären Bonds Leben und Karriere wohl verlaufen, wenn er damals schon in diesem Um - fang auf Tonträgern präsent gewesen wäre und ihm die gebührende Wertschätzung zuteilgeworden wäre? 1971 und 1972 arbeitete Bond noch einmal mit Bruce und Heckstall-Smith zusammen. Im Herbst 1971 gab die Band Jack Bruce and Friends mit ihm ein ausgezeichnetes Konzert, das 1990 auf dem Bootleg „In Concert“ erhältlich war. Manchmal wird dieser Mitschnitt als Konzert von 1977 an - geboten, obwohl Bond da schon verstorben war. Auf Heckstall-Smiths gelungener LP „A Story Ended“ ist er in drei Stücken vertreten und 2004 bei der Wiederveröffentlichung als CD von 2004 in Bonustracks mit Live-Aufnahmen. Trotz seines sich weiter verschlechternden physischen und psychischen Zustands konnte Bond 1972 mithilfe seines Freundes Pete Brown und guten Begleit - musikern das akzeptable Album „Two Heads Are Better Than One“ aufnehmen. Mit der Okkult-Band Magus brachte Bond keine LP mehr zustande. Zum Jahresende 1973 trat er ein letztes Mal öffentlich als Musiker auf. Mittlerweile war sein Zustand desolat geworden, und er befasste sich mit okkulten Symbolen und Deutungen. Sein Drogen konsum brachte ihn mit der Justiz in Konflikt. Im Februar 1974 wurde er als psychisch krank mit Verdacht auf Schizophrenie eingestuft und in eine Londoner Klinik für Psychiatrie eingewiesen, aus der er im März entlassen wurde. In dieser Phase seines Lebens wünschte er sich, noch einmal „guten alten R&B“ zu spielen. Dem Schall - platten-Label Charisma bot er sich vergeblich als Ersatz für die Keyboarder der dort unter Vertrag stehenden Bands Refugee und Yes an. Hätte Bond mit einem musikalischen Neu start an seine musikalische Kreativität vergangener Tage anknüpfen können, aus der viele Musiker schöpften? Man weiß es nicht. Mit Bonds Sturz vor die U-Bahn schloss sich auf tragische Weise auch dieses Kapitel, bevor es geschrieben wurde. Rück blickend sagte Heckstall-Smith über Bond: „Er war kraftvoll und unwiderstehlich. Der Welt hatte er so vieles zu bieten. Auf sich selbst konnte er aber nicht achtgeben und machte es anderen unmöglich, es für ihn zu tun.“ NÄCHSTE FOLGE: ERIC BURDON UND DIE ANIMALS TEXT: DR. NORBERT APING BACKGROUND: © RADOMAN DURKOVIC/ ADOBE STOCK DR. NORBERT APING Geboren 1952, Buchautor und Direktor des Amtsgerichts a. D. in Buxtehude

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