38 STORIES »Ich fühl‘ mich ein bisschen wie ein „Spätberufener“ und deshalb empfinde ich alles wie im Brennglas verdichtet … Aus dieser Grundhaltung entsteht eine intensive, oft melancholische, manchmal tief gründige, manchmal verrückte Musik.« DER SCHWEIGER: Also ich habe nach dem Abi Philosophie studiert und mit Magister abgeschlossen, im Nebenfach ein Jahr Musik wissen schaft. Das war mir aber zu theoretisch und ich habe das Nebenfach gewechselt auf Pädagogik. Bei Philo - sophie war das okay, aber Musik wollte ich lieber praktisch machen und bin während des Studiums mit meiner damaligen Band und danach noch als Solomusiker durch die Musikclubs in Köln und Um gebung getingelt. In dieser Zeit habe ich viele Musiker, Kaba ret - tisten und Comedians kennengelernt. Da ich schon immer ein gewisses Organisationstalent hatte und ich meine Auftritte und Gigs alle selbst für mich gebucht habe, kamen viele Musikerfreunde auf mich zu und fragten, ob ich das auch für sie machen könnte. So entstand ein Pool von Künst - lern, für die ich gearbeitet habe. Dann kamen die ersten Kabarettisten dazu, die ich veranstaltet habe, unter anderem Jürgen Becker, Konrad Beikircher und das Improvisationstheater Spring - maus aus Bonn, mit dem ich übrigens bis heute zusammenarbeite. Und plötzlich hatte ich über beide Ohren Arbeit mit meiner Agentur MIRO LIVE und keine Zeit mehr, selbst Musik zu machen. Aber wie ge sagt, die Faszination, selbst Musik zu kreieren, hat mich nie losgelassen. MM: Du bist Produzent verschiedener Shows, Konzertmanager und hast immer kreativ ge - arbeitet. Doch inwiefern ist es anders, selber Musik zu machen? DER SCHWEIGER: Das sind tatsächlich völlig ver - schiedene Prozesse. Als Produzent kümmere ich mich darum, die Idee und den Inhalt einer Show zu entwickeln, Künstler, Kostüme, Bühnen ge stal - tung und die technische Umsetzung zu realisieren. www.musiker-online.tv
STORIES 39 DER SCHWEIGER „Sag mir ein Wort"“ VÖ: 15. OKTOBER 2021 WWW.SCHWEIGER-MUSIK.DE FACEBOOK.COM/ DERSCHWEIGER »Gemeinsam feiern und Kultur erleben zu können, in all seinen Facetten, ist existenziell für die Gesellschaft und gehört zum Menschsein.« Das sind schon sehr kreative Prozesse, allerdings auch sehr pragmatische Arbeitsabläufe. Da sind viele Menschen beteiligt, das ist auch eine sehr teamorientierte Arbeit. Musik zu machen ist dagegen erst mal ein sehr einsamer Prozess. Da sitze ich zunächst einmal allein in meinem stillen Kämmerlein und entwickle Songs. Das ist eine ganz andere Art von Krea tivi - tät, die viel persönlicher, intimer und unberechen - barer ist. Ich weiß beim Songschreiben nie, was am Ende dabei rauskommt, und bin oft selbst überrascht. MM: Wie würdest du deine Musik beschreiben? DER SCHWEIGER: Die eigene Musik zu be - schreiben ist schwierig. Man hört die eigene Musik doch anders als jede andere Musik. Das ist wie die eigenen Kinder, die sieht man auch mit anderen Augen. Aber ich versuche es mal mit folgendem Gedanken: In meinem Pressetext steht: „Er hat gewartet, fast gelauert auf den richtigen Moment, wieder Musik zu machen.“ Ich glaube, das sagt auch einiges über meine Musik aus. Ich fühl mich ein bisschen wie ein „Spätberufener“ und deshalb empfinde ich alles wie im Brennglas verdichtet. Denn ich habe definitiv nicht mehr so viel Zeit wie jemand, der mit 20 oder 30 seine musikalische Ent wick - lung angeht. Aus dieser Grundhaltung entsteht eine intensive, oft melancholische, manchmal tief - gründige, manchmal verrückte Musik. Genre mäßig würde ich mich jedenfalls der Popmusik zuordnen. MM: Du schreibst deine Songs selbst. Wie und wo schreibst du am liebsten und woher holst du dir deine Inspiration? DER SCHWEIGER: Eigentlich plane ich nie, Musik zu schreiben. Ich habe mal gesagt, die Musik kommt auf mich zu. Was ich damit meine, ist, dass ich eine Situation, in der eine Emotion mich so packt, dass ich sie in Musik umsetzen möchte, nie voraussehen kann. Das kann sein, wenn ich Musik höre, aber auch durch einen intensiven Augenblick in der Natur oder eine besondere menschliche Begegnung, die mir passiert oder die ich beobachte. Dann brauche ich im besten Fall schnell ein Klavier, um diese völlig außermusikalische Situation in etwas Musikalisches zu transformieren. Inspiration kommt nie nur aus mir, sondern hängt immer mit meiner Außenwelt zu - sammen. MM: Warum hast du dir die deutsche Spra - che für deine Musik ausgesucht? DER SCHWEIGER: Deutsch ist meine Mutter - spra che und die einzige Sprache, in der ich mich wirklich auf einer tieferen emotionalen Ebene in - tensiv ausdrücken kann. Wenn ich einen Song schreibe, ist immer zunächst die Musik da. Wenn ich dann mit dem Texten beginne, ist das schon ein merkwürdiger Vorgang. Ich höre in die Atmosphäre und Stim - mung der Musik, der Melodie und versuche zu erfahren, was der Song mir sagen will. Meist ergeben sich dann Worte, Textzeilen und Fragmente, die die Musik geradezu vorgibt. Nach und nach entsteht daraus ein Bild bzw. eine Geschichte, die ich dann ausformuliere. MM: Mitte Oktober ist dein erstes Album er - schienen und dein Album-Release-Konzert in Köln hat stattgefunden. Mit welchen Ge - fühlen blickst du auf die Ereignisse zurück? DER SCHWEIGER: Nach meiner ersten EP, im Januar 2020, ist am 15. Oktober 2021 mein erstes Album mit dem Titel „Sag mir ein Wort“ und zehn neuen Songs erschienen. Man kann das Album als CD und Schallplatte erwerben und natürlich bei Spotify und allen anderen Streamingdiensten hören. Die Produktion des Albums war ein wahnsinnig aufregender und toller Prozess, zusammen mit meinem Produzenten Geo Schaller vom Kölner Studio trommelfell records, der neben der Studio - arbeit auch sehr wertvolle Beiträge mit Saxophon, Querflöte und den verschiedensten Percussion- Instrumenten geleistet hat. Außerdem haben viele Musiker der Kölner Musikszene mit Einspie lun - gen mitgewirkt. Am 13. Oktober 2021 fand zusammen mit meiner Band (Malte Selke/Gitarre – Moritz Gröger/ Drums und Bernd Krampe/Bass) endlich das Release-Album-Konzert in Köln im Bürger zentrum Stollwerck statt. Meine Musik kam live mit Band deutlich rockiger und handgemachter rüber als die Studioproduktion, aber ich finde, es war dennoch ein Mix aus Pop, Chanson und Lieder - macherei. Höhepunkte des Abends waren sicherlich auch die Auftritte meiner beiden hochklassigen Gastmusiker Erdal Tosun am Saxophon und Shadi Al Housh an der Darbuka. Der Mix aus rhythmischer Percussion und leidenschaftlichem Sax-Sound gab den Songs eine zusätzliche Qualität. Wir waren alle sehr glücklich, dass wir endlich wieder auf der Bühne stehen konnten, und das Publikum hat uns mit lang anhaltendem Beifall und Zugaberufen belohnt. Ein schöner und emotionaler Konzertabend. MM: Wie war es für dich in Zeiten von Corona, Musik zu machen, und wie geht es weiter? DER SCHWEIGER: Eigentlich war die Veröf fent - lichung meines Albums bereits im Dezember 2020 vorgesehen. Leider musste dann wegen des Lock - downs alles verschoben werden. Auch alle weiteren Konzerte fielen der Coronakrise zum Opfer. Die ganze Musikszene freut sich auf die Rück - kehr der Kultur. In gewisser Weise habe ich allerdings auch ein bisschen von der Coronakrise profitiert. Da meine Agentur über ein Jahr in Zwangsurlaub war, hatte ich auf einmal viel mehr Zeit für meine Musik. Die nutze ich bis jetzt für neue Kom po si tionen und arbeite bereits intensiv am zweiten Album. MM: Wie ist dein Blick für die Zukunft? Was sind deine Ziele, Pläne und Perspektiven? DER SCHWEIGER: Ich wünsche mir vor allem, dass wir in Zukunft wieder angstfrei Konzerte genießen können, ohne darüber nachdenken zu müssen, ob wir uns oder andere infiziert haben. Denn gemeinsam feiern und Kultur erleben zu können, in all seinen Facetten, ist existenziell für die Gesellschaft und gehört zum Menschsein. Für mein Singer-Songwriter-Projekt „Der Schweiger“ steht dann im Herbst 2022 der Release des nächsten Albums an und vor allem viele Konzerte. Live vor Publikum zu spielen und die Interaktion mit den Zuschauern zu erleben ist doch im Endeffekt das Schönste am Musikmachen. WEB: WWW.SCHWEIGER-MUSIK.DE INTERVIEW: LEONIE FÖRSTER FOTOQUELLE: DER SCHWEIGER 1/2022 musiker MAGAZIN
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