Aufrufe
vor 6 Jahren

Musiker Magazin 04/2016 – 01/2017

  • Text
  • Musik
  • Musiker
  • Bester
  • Dorian
  • Album
  • Magazin
  • Bestes
  • Lindley
  • Gema
  • Urheber
Deutscher Rock & Pop Preis 2016 – Rückblick Deutscher Rock & Pop Preis 2017– Anmeldung Interview mit Carlotta Truman ALYZEE – Queen of Oriental Rock HÖRGERÄT – Rocken auf Deutsch – Interview mit dem Sänger Andy Link Geschichten van der Spree – Interview mit Vivian van der Spree DORIAN BLACK – Das Streben nach ewiger Jugend und den Wunsch, dass man zeitlos durch die Epochen schweben möchte Interview mit der Sängerin Kara Marie-Luise Cassar – Nach 40 Jahren Pause entdeckt sie die Rock-Musik wieder für sich und plant ihre letzte große Show Die Historie der Rock- & Popmusik: Teil 6: David Lindley – der Saiten-Wizard Das Aus für den Musikmarkt reißt eine Lücke Kammergerichtsurteil Berlin GEMA / Musikverlage – Interview mit Dr. Günter Poll Kreative müssen Einzelkämpfermentalität ablegen – Interview mit Bruno Kramm zu GEMA-Urteil

38 STORIES In der

38 STORIES In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre entwickelten sich große Gitarren-Talente in einem rasanten Tempo und bescherten der Rockmusik einen kreativen Schub, der seither seinesgleichen sucht. Deutschland war schon damals ein großer Markt für Tonträger, sodass sich diese Entwicklung auch hier abzeichnete. Der Filter der Vertriebswege sortierte allerdings vor. Schall - platten-Labels brachten zum Beispiel Rock aus den USA dann auf den deutschen Markt, wenn man sich damit finanziellen Erfolg versprach. Den heute selbstverständlich erscheinenden Zugriff auf den Weltmarkt der Musik hatte man damals nicht. In größeren deutschen Städten gab es je - doch die sogenannten Import-Läden mit Schall - platten außerhalb des inländischen Vertriebs - netzes. Und dort ließ sich hin und wieder etwas entdecken. David Lindleys Langspielplatten aus jener Zeit mit der US-Band KALEIDOSCOPE waren ein Fall für Import-Geschäfte. Ungeachtet der beachtlichen Musikalität der Band galten die Alben wahrscheinlich hierzulande nicht als „massentauglich“ und „marktgängig“. Man hörte auf ihnen anders als auf reinen Rockalben ungewohnte Instru men te, und durch den Mix mit orientalischen Klängen war KALEIDOSCOPEs Musik so etwas wie ein frühes Beispiel von Welt-Musik. Dass die Band die Backing Group auf Leonard Cohens erstem Album „Songs of Leonard Cohen“ von Ende 1967 war, und dieses war in Deutschland erfolgreich, ging einem nur auf, wenn einem die Namen der Band mitglieder etwas gesagt hätten. Im Übrigen musiker MAGAZIN 4/16 | 1/17

STORIES 39 TEIL 6: DAVID LINDLEY der Saiten-Wizard waren David Lindleys Aktivitäten aus den 1960er- Jahren mit der DRY CITY SCAT BAND und den RODENTS so abgelegen, dass davon damals erst recht nichts auf den deutschen Markt kam. Auf David Lindley, Jahrgang 1944, stieß ich An - fang der 1970er-Jahre auf einem Umweg. Im örtlichen Schallplattenladen stand unter „Ver- schiedenes“ der Bellaphon-Sampler „Anthology of the Banjo“. Darauf war unter anderem der Byrds- Gitarrist Roger McGuinn vertreten und das machte mich hellhörig. Beim Durchhören der LP in der Hörkabine des Geschäfts (ein längst vergessener, damals aber selbstverständlicher Service) stieß ich auf zwei Stücke von David Lindley von 1961. Da war ein dem Bluegrass verbundener Meister am Werk, der bereits in jungen Jahren verschiedene US-Wettbewerbe für Banjo und Geige gewonnen hatte. »Lindley solo markiert auch seine Wandlung zum „Prince Of Polyester“. Als Frontmann wollte er offenbar auffallen, und so pflegt er seither das Freak-Image mit betont unmoderner Kleidung aus Synthetik, die aus dem Fundus der Heils armee zu stammen scheint.« Nicht jedem bedeutenden Instrumentalisten liegt es allerdings, eine eigene Band auf die Füße zu stellen und in dieser zudem als Sänger Ver - ant wortung zu übernehmen. So gute Gitarristen aus den 2000er-Jahren wie zum Beispiel an Freddy Koella (The Mink DeVille Band) und José Pires de Almeida Neto (Steve Winwoods Band) wird man wohl nicht als Bandleader kennenlernen. Bei David Lindley schien es geraume Zeit genauso zu bleiben. Seit 1971 war er mit seinem exquisiten Können auf Slide-Gitarre und Geige ein gefragter Session-Musiker für Rockmusiker unterschiedlichster Art. Die beeindruckend lange Liste von Alben, die auf seiner Internet-Seite Aus - kunft darüber gibt, ist nicht einmal vollständig. (So fehlen zumindest der Lowell-George-Tribute „Rock ’n’ Roll Doctor“ aus dem Jahr 1998 und Warren Zevons bewegendes letztes Studio - album „The Wind“ von 2003.) Nicht nur Insider wussten seine Virtuosität zu schätzen, sondern auch Größen wie Bob Dylan auf dem Album „Under the Big Red Sky“ (1990). Die Begeisterung für den Byrds-Frontmann Roger McGuinn war der Auslöser für die Elek - trifizierung von Lindleys Musik. Es war aber der 1939 geborene schwarze Slide-Gitarrist Freddie Roulette, der in Lindley den Wunsch weckte, die Lap Steel Guitar zu beherrschen. Lindley war ein besonders begabter und schneller Schüler. Als das Songwriter-Schwergewicht Jackson Browne auf ihn aufmerksam wurde, hatte Lindley sein Ziel längst erreicht. Browne trat mit ihm seit 1973 als Akustik-Duo auf, wovon zum Beispiel Radio - konzerte aus dem Main Point/Philadelphia von 1973 und 1975 auf CD veröffentlicht wurden; von 2006 datiert ein weiterer gemeinsamer akustischer Live-Auftritt der beiden mit spanischen Musikern: „Love Is Strange. En vivo con Tino“ (2010). Vor allem aber integrierte Browne Lindley als formidablen elektrischen Gitarristen in viele seiner Alben, darunter der Live-Klassiker „Running On Empty“. Lindleys Gitarren-Parts waren so be - sonders, dass man ihn geradezu vermisst, wenn er nicht mit von der Partie ist. Browne und er sind erfreulicherweise gemeinsam auf DVD zu erleben, zum Beispiel auf „Going Home“ (1994) und „Live at The Glastonbury Festival“ von 2010. Ähnliches Gewicht wie für Jackson Browne besaß Lindley Mitte der 1970er-Jahre für das Duo Crosby and Nash, das mit exzellenten Be - gleitmusikern an Erfolge anknüpfte, die das Duo zuvor mit Stephen Stills und Neil Young als Crosby, Stills, Nash and Young erzielt hatte. Lindley hatte mit herausragenden Soli auf Lap- Steel-Gitarre und Geige prägenden Anteil an der Musik von Crosby and Nash, und erst recht wurde das bei den erfolgreichen Liveauftritten deutlich. Nicht ohne Grund ist Lindley auf dem Bandfoto für das Album „Whistling Down the Wire“ in erster Reihe direkt neben David Crosby zu sehen. Aus etwa dieser Zeit datiert auch Lindleys Beteili gung an Rod Stewarts Millionenseller „Atlantic Crossing“. Immer wieder kam ins Gespräch, dass der so gesuchte Lindley ein Soloalbum herausbringen würde, und siedelte die Erwartungen an dessen Richtung im kalifornischen Folkrock an. 1981 überraschte Lindley mit seinem Album „El Rayo- X“ (zugleich der Name seiner Band) jedoch alle gründlich: Kein Folkrock, sondern Reggae und erdiger Rock standen absolut im Vordergrund mit Lindley als versierten Leadsänger und, wie die Liveauftritte zeigten, geborenen, zuweilen schelmisch auftretenden Performer, der gemeinsam mit seinen Bandmitgliedern einen ausgezeichneten Harmoniegesang pflegte. Klassikern wie „Bye Bye Love“ und „Twist and Shout“ hauchte Lindley mit Reggae gefühlvoll völlig neues Leben ein, coverte damit einen Song wie „She Took Off My Romeos“ und präsentierte druckvoll facettenreiche Songs wie „Quarter of Man“, „Your Old Lady“ und „Don’t Look Back“, dazu fulminanter Rock auf der elektrischen Slide-Gitarre 4/16 | 1/17 musiker MAGAZIN

Archiv