60 CD-REZENSIONEN LOOP AHEAD »River of Wine« P. G. Lange und Udo Lummer, Gitarrist und Bassist, ge - meinsam das Duo LOOP AHEAD, wagen, was viele nicht wagen würden: Sie loopen! An sich nicht ungewöhnlich, jedoch in ihrem Genre bis dato eher gemieden: der Blues. Was darf Technik und wie weit darf man gehen? Dies Frage übergehend, spielen die beiden die Stücke sehr relaxt. Der sonore, manchmal „Knopfler-artige“ Sprechgesang kokettiert mit all den technischen Spielereien und bietet Kon - trast. Lummer brilliert mit seinen Soli und teilt sich den Gesang mal zweistimmig, aber immer sehr lässig mit P.G. Lange. Die beiden weisen eine lange Musiker-Vita auf: 1963 hieß Lummers erste Gruppe THE THIMBLES SKIFFLEGROUP. Es folgten viele weitere Kooperationen und Projekte. Lange begann mit dem kongenialen Mitmusiker in derselben Band und spielt heute noch bei den Old Fellows. Auf ihrem Album „River Of Wine“ wissen sie mit Blues-Standards und eigenen Songs zu überzeugen. Ihr Spiel mit den Loops be - deutet übrigens, Sounds mit technischen Hilfsmitteln wiederholen zu lassen und diese dabei gezielt einzusetzen. Das beherrschen die beiden auch live und das hat technisch-historisch gesehen Vorbilder bei den Produzenten/ Künstlern Robert Fripp und Brian Eno. Die Songs der Platte klingen allesamt elektrisierend bluesig. Im Song „Nadine“ weist der Groove dem Boogie den Weg! Fazit: Eine technisch wirklich reife Blues-Scheibe. www.loopahead.de C.S. Irrsinn an Selbst verlorenheit und Charme. Die nötige Sympathie und Herzen erobernde Riffs rollen über den Hörer drüber und hinterlassen Staunen und Freude. Ein Werk, das von THE JAM über THE SMITHS bis PULP alle möglichen Referenzen zulässt, wird zu einem unglaublich eigenständigen Destillat an Lebens freude und großartigem Musikverständnis. Die Songs erheben sich in ungeahnte Sphären und retten einem mit jeder Sekunde den Tag, was auch immer vorgefallen sein mag. www.thesinfulsaints.com M.D. KURT BUSCHMANN »Coffee For Angels« Wenn ein Album mit einer wunderschönen Cover-Version von Van Morrisons „Have I Told You Lately“ anfängt, ist man sofort gefangen. Auf Kurt Buschmanns Album „Coffee For Angels“ sind aber fast nur Eigenkompsitionen vorhanden. Wie das Latin-Jazz-Stück „Moje Kochane Serduszko“, wo er wieder mal beweist, dass er ein Meister des Saxophon - spiels ist. Das Stück strahlt ein Frische aus, dass man sofort Lust auf mehr bekommt. Hinzu kommen ein verträumtes „A Easy Day In Paris“, ebenfalls geschrieben von Kurt Buschmann, diesmal aber wie auch bei anderen Stücken mit der Hilfe seines Pianisten Sven Velle. Sholom Secundas Traditionslied „Donna“ behält auch in der sanft wehenden Cover-Version von Kurt Buschmann sein einprägsames Kernthema. Dabei entsteht eine brodelnde, manchmal geradezu überkochende Musik, die man mit herkömmlichen Stilbegriffen nicht fassen kann. Am Ende hinterlässt „Coffe For Angels“ einen harmonischen Eindruck. Die Musiker um Kurt Buschmann schaffen Atmosphäre mit einem Hauch von Mystik. Dabei setzen sie aber auch gleichzeitig auf Spontaneität, die einen hypnotisiert und fasziniert. www.kurt-buschmann.de M.D. Testosteron-Version späterer EVERY TIME I DIE, während bei „Our Darkest Day“ genau diese Einflüsse mit rockigem Thrash kollidieren. Egal, wie die Jungs gerade unterwegs sind, so ist es Sänger Alexander Sommerhuber, der den Songs durch sein powervolles, mal brüllendes, dann wieder hysterisch schreiendes Organ unglaublich viel Unrast be - schert, und die lässt praktisch jeden Song über die Durch - schlagskraft verfügen, die benötigt wird. Das neueste Werk „Dark Matter“ kommt gut produziert rüber. Die Jungs setzen auf die gewohnt fetten Gitarrenriffs und der Groove auf dem dritten Album klingt typisch nach LEONS MASSACRE. Warum großartige Sound-Veränderungen herbeiführen, wenn man auch am Feintuning arbeiten kann? Sie haben ihren Stil mit ihrer Mischung aus thrashigem Hardcore, diversen Nu-Metalsowie Rock-Anleihen, vermischt mit Cross over, schließlich weitgehend gefunden. www.leonsmassacre.com GÖTZ WIDMANN »Krieg und Frieden« Der deutsche Liedermacher Götz Widmann gibt auf seinem neuen Album „Krieg und Frieden“ von der ersten bis zur letzten Minute Vollgas. In altbekannter Manier sind seine Texte albern und strotzen vor Satire und Ironie. „zwei komma acht kilometer bier“ und „autsch“ thematisieren das Saufen, „politik“ und „vietnam“ kritisieren die Gesellschaft, allerdings immer auf eine sehr leichte und witzige Art, sodass es einfach Spaß macht, die CD zu hören. Sowohl Texte als auch die rockige, beschwingte Musik sorgen für gute Laune. Die Spielfreude des Liedermachers, der von sich selbst sagt, ein Spinner zu sein, überträgt sich auf jeden, der das Album hört. www.goetzwidmann.de J.H. THE SINFUL SAINTS »This Is It« Wenn eine Band Kurt Ebelhäuser (BLACKMAIL, SCUM- BUCKET) als Produzenten mit an Bord hat, dann kann man schon mal davon ausgehen, dass einem Qualitätsware aufgetischt wird. Dies ist bei der Band THE SINFUL SAINTS und ihrem Album „This Is It“ zweifelsohne der Fall. Der Opener „Plastic Queen“ erinnert einen gleich an besten Indie-Rock der Marke FRANZ FERDINAND, aber sie haben auch keine Scheu, Disco-Ele mente mit in ihre Musik einzumischen. Angst vor Balladen ist für die Jungs auch ein Fremdwort – bestes Beispiel: „So Much More“. Die Platte vereint elf unglaublich dichte Songs, energiegeladen, kraftvoll, jugendlich, ein LEONS MASSACRE »Dark Matter« In der Steiermark kann es auch mal laut zugehen. Dies be - weisen einem die Crossover-Metal-Jungs LEONS MASSACRE auf ihrem mittlerweile dritten Album „Dark Matter“. Einer - seits erinnert der Opener „This Earth Is Pricelesss“ an eine MOI ET LES AUTRES »Bio« MOI ET LES AUTRES besitzen etwas, was nicht jede Band hat, und zwar eine Ausnahmestimme. Die aus Mulhouse (Frankreich) stammende Juliette Brousset verfügt über ein Stimmorgan, das sich sowohl im Chanson und Pop als auch im Jazz zu Hause fühlt. Mit „Bio“ bringen es MOI ET LES AUTRES fertig, auf wunderbare Art diese Stile miteinander zu verbinden. In aller Bescheidenheit fängt einen musiker MAGAZIN 2/2015
CD-REZENSIONEN 61 „Bio“ durch zarte Melodien, mitreißende Rhythmen und, nicht zuletzt, mit dem entzückenden Gesang von Juliette Brousset ein. Das Niveau, das der Opener des Albums „Petite, don’t be blue“ vorlegt, wird mit jedem Stück der Platte gehalten. Mehr noch, Perlen wie „Dans Trente Ans“, „Dis, quand reviendras-tu?“ oder „C’est le dernier, je sais“ lassen einen mitunter den Atem anhalten und immer wieder den Repeat-Knopf betätigen. Hierbei wird der Hörer flüsternd verführt, genauer hinzuhören, wenn sich die dezenten Arrangements um Juliettes Stimme ranken, sie ergänzen und zum Glänzen bringen, ohne jemals überladen zu wirken. Die Musik be sticht durch ihre Einfachheit und die Band spielt präzise auf den Punkt, sodass sie doch den Eindruck der Erlösung entstehen lassen. moietlesautres.wordpress.com M.D. RENO BLUE »Septembergras« Eine alte „Framus“-Gitarre sollte den Beginn der Künstler - karriere von RENO BLUE darstellen. Mit Mundartliedern überzeugte er damals so manche Fastnachtsjecken. Es folgten Auftritte in Rundfunk und Fernsehen. Als Gitarrist und Sänger war er in den 80er- und 90er-Jahren in diversen Coverbands aktiv. Nach berufsbedingter Pause entwickelte der selbstständige Unternehmer gemeinsam mit Produ zent Ron Gardner die Idee, ein Album aufzunehmen. „Sep tem ber gras“, sein Debüt - album, wurde geschrieben, produziert und aufgenommen. Elf Songs in deutscher Sprache in den Stilrichtungen Country, Folk und Schlager erwarten den Hörer. Nachdenklich, romantisch und authentisch kommen die Stücke in sauber produziertem Gewand daher. Im Song „Augenblicke“ wird RENO von seiner Tochter Jana im Duett begleitet. Beide blicken in ein Fotoalbum voller Erinnerungen. In „Das letzte Rodeo“ befindet sich RENO BLUE im Zwiegespräch mit einem Pferd. Dazu schmeichelt eine Steelgitarre süßlich zum Schritttempo, nein, es wird nicht galoppiert zu diesen Balladen. Musik, die in keiner Sattelkammer fehlen sollte! www.reno-blue.de C.S. BLUTSBRÜDER »Höllenfeuer« Aus Anlass des 20-jährigen Bandjubiläums gibt es von den BLUTSBRÜDERN eine wahrhaft heiße Live-Scheibe. Die fünf Musiker einen der Heavy Metal und der Rock ‘n‘ Roll in der dreckigsten Form. Die deutschen Texte sind versaut, wie einst bei den Straßenjungs. Das weibliche Geschlecht steht auf „Höllenfeuer“ buchstäblich im Mittelpunkt, weshalb eindeutige Zitate an dieser Stelle unerwähnt bleiben müssen. Kein Wunder, dass man schon die Bühne mit J.B.O. geteilt und diverse Metal-Festivals gerockt hatte. Wichtig zu erwähnen: Die BLUTSBRÜDER haben vor Jahren eine Unte rstützer- CD für den Harzer Eishockey produziert. Der dazu passende Song ist als Bonustrack mit drauf. Mein Anspiel tipp: „Nein!“, ein Song mit Punk-Attitüde. Der ganze Silberling weist überdies Heavy-Riffs und Soli feinster Güte ab, sodass bei all der Stimmung auch musikalisch Vollgas gegeben wird. www.blutsbrüder.net C.S. GREY SEASON »Septem« GREY SEASON kommen aus dem Düsseldorfer Raum und mit ihrem Erstwerk „Septem“, huldigen sie ihren musikalischen Vorbildern des Progressive Metal/Rock, OPETH und PORCUPINE TREE. Zu Beginn von „Therion PT II“ baut sich ein dumpfer Klang unausweichlich im Hörorgan auf, bevor GREY SEASON dann urplötzlich mit einem sehr groovigen und kom - plexen Gitarrenriff in das sechseinhalbminütige Metal-Epos einsteigen. Und kaum lässt Blazej Lominski seine kräftige Stimme von der Leine, hat es einen gepackt. Das äußerst dichte Klangbild fügt sich nahtlos mit dem gottesgewaltigen Organ des Sängers zusammen, das immer wieder die Brücke zwischen den verboten guten Gitarrenriffs und Solos baut. Aber genau wie bei OPETH streuen sie immer wieder cleane Vocal-Parts mit in die Songs ein, was eine monotone Atmosphäre erst gar nicht aufkommen lässt. In lückenloser Reihenfolge ergeben die Stücke eine Progressive-Metal- Orgie symphonischen Aufbaus samt ganz und gar eigener Dramaturgie. Gleichwohl funktionieren die einzelnen Songs auch für sich genommen als seltsam funkelnde Edelsteine. grey-season.de/wordpress_GS/ M.D. WOLFGANG PAULE FUCHS »POND« Wolfgang Paule Fuchs, Mastermind und Mitbegründer von POND, präsentiert Crossover-Klassik im Großformat. Dieses Jahr hatte Fuchs bereits Gelegenheit, im Interview (Musiker Magazin 03/2014, d. Red.) mit uns über die Geschichte des Klassik inspirierten Rock und insbesondere die Geschichte von POND zu sprechen. Diese einzigartige Band, die zu DDR- Zeiten unter erschwerten Bedingungen bombastische und Keyboard-lastige, sinfonische Musik kreierte, beeinflusst von Emerson, Lake & Palmer und der polnischen Jazz-Rock- Combo SBB. Paule Fuchs, der Elektronikpionier, und die Bran - denburger Symphoniker kamen anlässlich einer Vernissage zu einem Crossover-Konzert gigantischen Ausmaßes zusammen. Dieses Werk dokumentiert die CD und gleichbetitelte DVD als audiovisuellen Genuss in der Deluxe-Edition. Zwölf wichtige Arbeiten des Künstlers Willi Sitte werden in der Ver - bindung zur Musik im Rahmen einer ausgefeilten und durch - konzipierten Lichtdramaturgie im Industrie museum Stahlwerk Brandenburg an der Havel dargestellt und, wenn man so will, aufgeführt. So geschehen am 14. September 2013. Wolfgang Paule Fuchs arbeitete intensiv an diesem seinem epochalen Werk. Wer dabei an Jon Lords Rock-Klassik-Kollaborationen denkt, ist in guter Gesellschaft. Hier jedoch befinden wir uns in einer nahezu durchgängig klassisch dargebotenen Bear - beitung von POND-Kompositionen. Die Symphoniker sind bestens aufgelegt und die große Streicher besetzung harmoniert wunderbar mit dem POND-Mastermind. Spektakulär, dramatisch, von barocker Schön heit und doch zeitgenössisch aktuell aufrüttelnd ist dieses Werk. www.ponderosa-records.de C.S. DARKEST HORIZON »The Grand Continuum« Die Musik auf „The Grand Continuum“, dem düsteren Studio- Opus von DARKEST HORIZON, zu beschreiben, ist ein schwieriges Unterfangen. Eng verflochten sind die Genres im Be - reich des schwarzen Metall. Death-, Black-, Doom- oder Progressive Metal? Die Frage kann so manchen harten Freak sehr sensibel werden lassen. DARKEST HORIZON haben eine eigenartige, epische Feierlichkeit in ihren Songs. Nach Doomlastigen Parts fällt das Spiel in hartes Gitarren-Rhythmus- Stakkato und Double-Bass-Salven wie in „A Thousand Dreams“. Beschwörend reiht sich der astreine Growl-Gesang von Aurelius Lie in das Geschehen ein. Die akustische Geister bahnfahrt führt uns in eine konzeptionelle Abhandlung vom Mikro- in den Makrokosmos, bei dem die Menschheit eine unbedeutende Rolle einnimmt. Da die Titel immer wieder melodisch, teils klassisch inspiriert sind, sehen die Künstler sich selbst am ehesten beim melodischen Death Metal. Interessant ist, dass die fünf Männer neben ihren Einflüssen 8 2/2015 musiker MAGAZIN
C 10973 F | N o 2/2015 | 3,00 Euro
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