38 STORIES tem Auftritt auf dem Woodstock Festival nach einem Streit mit Taylor die Band verlassen hatte, war Harvey „The Snake“ Mandel der neue Lead - gitarrist, der sich hervorragend einfügte. Davon kann man sich auf den diversen, unterschiedlich langen CD- und DVD-Ausgaben über das Wood stock Festival und auf dem Live-Album „Canned Heat ’70 Concert“ überzeugen. Ein Highlight dieses Mitschnitts ist der „Pulling Hair Blues“ mit Wilsons Gesang und Blues-Mundharmonika, nur begleitet von dem blendend aufgelegten Taylor am Bass. Canned Heat waren so er - folgreich, dass 1969 schon das „Cookbook“ als erstes Best-Of-Album erschien und man ein Jahr später den Querschnitt „Collage“ nach - schob. Aber dann starb Wilson am 3. September 1970 nach einer Überdosis an Barbituraten im Alter von nur 27 Jahren. Er war ein getriebener Mensch, der letztlich mit dem Leben nicht zurechtkam und das Anti-Bild eines Rock stars war. Wilson hinterließ eine Lücke, die sich nicht schließen ließ, hatten doch seine Ideen und Interpretationen ganz wesentlich die Musik der Band bestimmt. Kurz vor seinem Tod wurde mit ihm noch der „Boogie Human Condition“ fertig produziert, der damals vielleicht Canned Heats nächster Hit geworden wäre. Zwar spielten sie das Stück Ende Juni 1970 mit Wilson auf dem Kralingen Music Festival und punkteten mit dem Song und weiteren erfrischenden Stücken 1978 in anderer Besetzung und mit Hite als Sänger auf der gleichnamigen Takoma- LP. Wilsons Fassung wurde aber erst 1994 auf der vorzüglichen Doppel-CD „Uncanned“ veröffentlicht, die nicht nur eine Werkschau ist, sondern auch bis dahin viele unbekannte Songs der Band aus ihrer klassischen Phase enthält. Apropos Rückblick: Eine wahre Fundgrube mit unveröffentlichten Aufnah men ab 1967, viele davon mit Wilson, sind auch die drei Doppel-CDs „The Boogie House Tapes Vol. 1–3“. Nach „Future Blue“ und „Canned Heat ’70 Concert“ schlossen Taylor und Mandel sich 1970 John Mayall für dessen Album „USA Union“ an. Daher kehrte Vestine zu Canned Heat zurück, als neuer Bassist stieg Antonio de la Barreda ein. Mit ihnen spielte die Band noch zu Wilsons Lebzeiten das 1971 veröffentlichte Doppelalbum „Hooker ‘n’ Heat“ ein, ein Musterbeispiel, wie sich klassischer und moderner Blues und Boogie gegenseitig befruchten. Altmeister John Lee Hooker war begeistert und schwärmte von Wilsons Blues-Mundharmonika, die unter anderem auf dem hochenergetischen Hooker-Stück „Boogie Chillen No. 2“ zu hören ist. Er nannte Wilson „the greatest harmonica player ever“ und »Wilson hinterließ eine Lücke, die sich nicht schließen ließ, hatten doch seine Ideen und Interpretationen ganz wesentlich die Musik der Band bestimmt.« sagte von der Band: „I sure like the way you boys boogie.“ „Hooker ‘n’ Heat“ ist ein Ritter schlag für die Band. Der Veteran trat damals live mit ihr auf und Jahre später noch einmal. 1981 erschien „Hooker ‘n’ Heat – Recorded Live At The Fox Venice Theatre“, und 1988 waren Canned Heat auf Hookers CD „The Healer“ hören. 1970 und 1973 begleiteten sie auch kompetent Memphis Slim und Clarence „Gatemouth“ Brown auf den in Frankreich produzierten Alben „Memphis Heat“ beziehungsweise „Gate’s On The Heat“. Mit „Historical Figures and Ancient Heads“ gelang der Band 1971 ohne Wilson noch einmal ein vergleichsweise dichtes Album. Die ergrauten Altersheim-Insassen vom Cover ließen ihre Musik kraftvoll pulsieren. Dennoch war der neue Gitarrist und Sänger Joel Scott Hill, der seine Qualitäten zum Beispiel mit „Sneakin’ Around“ unter Beweis stellt, kein zweiter Wilson. Das High light des Albums ist das funkensprühende „Rockin’ With the King“ mit Hite und keinem Ge rin geren als Little Richard als Sängern – ein Ohr wurm. Würdiger Ab - schluss des Albums ist Utah mit einem bestens aufgelegten Vestine. Ab gesehen von einigen Live- Aufnahmen aus jener Zeit, die erst viele Jahre später veröffentlicht wurden, konnte die Band keine solchen Qualitäts platten mehr zustande bringen, wie sie sie bis 1970 in kurzer Zeit scheinbar aus dem Ärmel geschüttelt hat. So markiert „The New Age“ von 1972 in doppelter Hinsicht den Auf - bruch in den Abstieg. Die Band musste ums Überleben kämpfen. Ein Beispiel dafür ist der Auftritt der Band zum zehnjährigen Jubiläum von Woodstock (erhältlich als „Canned Heat Live On The King Biscuit Flower Hour“ von 1988), der von dem legendären Gig Lichtjahre entfernt wirkt. Auch der exzessive Drogenmiss brauch in der Band blieb nicht ohne Spuren. Hites Stimme hatte gelitten. Er starb nur 38 Jahre alt 1981, und Vestine blieb 1997 während einer Tournee in Paris buchstäblich „auf der Strecke“. Dennoch schaffte es de la Parra, die Canned- Heat-Fackel bis heute hochzuhalten, lange Zeit auch wieder mit Taylor und dem Mandel. Der Canned-Heat-Nimbus hat über die Jahrzehnte neben den offiziellen neuen Alben (zuletzt 2012 „Revo lu - tion“) einen Wust an halboffiziellen Ver öffentlichungen, Bootlegs und Reissues unter wechselnden Titeln in immer wieder neuen Verpackungen hervorgebracht. Zur letzteren Kate - go rie gehören zwei Alben, die 1970 und 1971 auf dem Höhe punkt der Karriere von Canned Heat veröffentlicht wurden: das eigentliche Debüt-Album „Vintage“, 1966 eingespielt, aber nicht von dem Kaliber, mit dem die Band hätte berühmt werden können, und das Live-Album „Live At Topanga Corral“, das 1969 im Hollywooder Kalei doscope in mäßiger Tonqualität mitgeschnitten wurde. Und auch Best-Of- Zusammenstellungen gibt es wie Sand am Meer. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet wahrscheinlich die CD „Let’s Work Together. The Best Of Canned Heat“ von 1989. Und wer Live- Aufnahmen „aus der guten alten Zeit“ im Bild miterleben möchte: Neben den Woodstock- Aufnahmen wird man an den Beat-Club-Auf trit ten der Band und speziell an den DVDs „Live At Montreux 1973“ und der mittlerweile rar gewordenen Ausgabe „Canned Heat – On The Road ... Again“ von 2008 seine Freude haben – „Don’t forget to boogie!“ (ES FOGT: WINTERTIME AGAIN – JOHNNY WINTER) TEXT: DR. NORBERT APING FOTOQUELLE: CANNED HEAT DR. NORBERT APING Geboren 1952, Buchautor und Leiter des Amtsgerichts in Buxtehude. musiker MAGAZIN 2/2015
STORIES 39 DÓNAL Ó CEALLAIGH „Irish Songs (Gäelische Lieder)“ VÖ: 19.09.2014 »Als Solo-Künstler nehme ich die traditionelle Musik Irlands und wandele sie in eine Art „G-Pop“, wie ich ihn nenne, um. „G-Pop“ steht für gälischer Pop.« DÓNAL Ó CEALLAIGH MM: Danny, als Dónal Ó Ceallaigh hast du jetzt dein erstes Soloalbum mit dem Titel „Irish Songs“ herausgegeben. Manche kennen dich aus der irisch-keltischen Band Celtic Chakra. Warum hast du ein Solo pro - jekt gestartet? DANNY: Meine erste Solo-CD hat keinen richtigen Titel. Auf der CD sind Irish Songs oder eine Be - schreibung der irischen Musik. Dónal Ó Ceallaigh ist mein gälischer Name und auch mein Pass und Führerschein waren immer auf Gälisch. Aber dadurch, dass ich in Nordirland Musik machen und auftreten wollte, musste ich den Namen ändern. Denn die Polizei dort hatte Leute mit gälischem Namen als Terroristen unter Ver dacht. Das ist nicht so angenehm. Ich war immer Pazifist und kein Nationalist. Trotzdem war es gefährlich. Und deshalb habe ich eben meinen Namen auf Englisch geändert. Wäre die Situation eine andere, wäre das nie passiert. Ich werde aber von vielen bis heute Dónal genannt. Eine Solo-CD war immer mein Ziel, auch schon, bevor ich Celtic Chakra mit meinen Freunden gegründet habe. Die Songs, die auf meiner CD sind, passen auch nicht zum musikalischen Stil von Celtic Chakra. Es gibt zum Bei - spiel einen gälischen Bossa. Der würde nie im Leben zu Celtic Chakra passen. Als Solo-Künstler nehme ich die traditionelle Musik Irlands und wandele sie in eine Art „G-Pop“, wie ich ihn nenne, um. „G-Pop“ steht für gälischer Pop. Die Instru mental - stücke, die ich geschrieben habe, sind sehr traditionell, aber ich moduliere und variiere sie in ver - schiedenen Tonarten, was in der traditionellen irischen Musik selten oder nie passiert. Alle Stücke sind in ihrem Kern, in ihrer Seele und in ihren Bau - steinen sehr, sehr irisch. MM: Was ist für dich das Besondere an der irischen Musik? DANNY: Die traditionelle irische Musik, die man in den Bergen von Irland hört, ist wie ein Grund - nahrungsmittel für mich. Sie ist wie Blut, wie Sauer stoff. Sie ist für mich ein wichtiges „Super- food“. Ich bin damit als Kind in Berührung ge - kommen und sofort begeistert worden, als einer der besten Fiddler Irlands, John Doherty, in unserem Wohnzimmer zu Hause gespielt hat. Es war morgens früh, als ich noch geschlafen habe. Das war mein „Call to Adventure“, wie man in der Mytho logie so schön sagt. Die Magie, mit der er gespielt hat, hat in mir als Kind etwas erweckt und ich bin seitdem auf irgendeine Art damit beschäftigt. MM: Die Songs sind fast alle auf Gälisch, deiner Muttersprache, gesungen. Du sagst, du kämpfst für deine Sprache, solange du atmest. Warum ist ein Kampf für Gälisch not - wendig? DANNY: Als Irland seine Freiheit von England bekommen hat, hätte man gedacht, dass die gälische Sprache wieder gefördert werden würde. Unsere Sprache ist unterdrückt worden und in Phasen während der englischen Besetzung von Irland sogar in Schulen verboten gewesen. Ganze Schulen waren sogar verboten. Nachdem Irland von England seine Freiheit und Unabhängigkeit ge wonnen hatte, haben die Beamten ihre Arbeits - plätze aber weiter behalten. Und eine neue irische Regierung hat zusammen mit der katholischen Kirche Irland regiert. Alle Schulen sind in den Händen der Kirche gelandet und die Kirche hat die Sprache nicht gefördert. Die Kirche wollte, dass wir „West Brits“ werden, wie kleine katho li - sche Engländer. Die Kirche argumentierte, dass sie so handelte, weil sie Angst hatte, dass die Iren zu ihren alten, vorchristlichen und heidnischen Bräuchen zurückkehren würden. So starb die Sprache weiter aus. Dann hat in den letzten paar Jahren der irische Premierminister Enda Kenny davon gesprochen, die gälische Sprache in Schulen zu stoppen. Er hat jetzt einen Minister für die Gälisch sprechende Gegend, der sich selbst aber nicht auf Gälisch ausdrücken kann. 8 2/2015 musiker MAGAZIN
Laden...
Laden...
Laden...
Soziale Netzwerke
Facebook
Youtube
Twitter